Chirurg, Paläontologe, Revolutionär: James Parkinson

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Von Ralf Bröer

"Unwillkürliche Zitterbewegung bei verminderter Muskelkraft in Körperteilen, die keine Tätigkeit ausführen, selbst wenn sie unterstützt werden; mit einem Drang, den Rumpf vorzubeugen und vom Gehen zum Laufschritt überzuwechseln: bei unversehrten Sinnen und Verstandeskräften." In dieser klassischen Form definierte James Parkinson 1817 eine neue Krankheit.

Es handelte sich um die später nach ihm benannte "Schüttellähmung" (Shaking Palsy, lat. Paralysis Agitans). Durch prominente Patienten wie Boxer Muhammad Ali, Schauspieler Michael J. Fox oder Papst Johannes Paul II. gehört Morbus Parkinson heute zu den wenigen Krankheiten, die eine breite öffentliche Aufmerksamkeit gefunden haben.

Begeisterung für die Ideen der französischen Revolution

James Parkinson wurde heute vor 250 Jahren, am 11. April 1755, in London als Sohn eines Chirurgen geboren. Als junger Man trat er in die Fußstapfen seines Vaters und erlernte bei ihm das Chirurgenhandwerk. Im Alter von 22 Jahren rettete er einem Selbstmörder das Leben. Nach dem Tod des Vater 1784 bestand er das Chirurgenexamen und übernahm die lukrative Praxis am Hoxton Square.

Es folgte die Zeit der französischen Revolution, deren Ideen bei Parkinson auf fruchtbaren Boden fielen. Der junge Chirurg engagierte sich für einen unblutigen Umsturz auch in England. Unter dem Pseudonym "Old Hubert" verfaßte er eine ganze Reihe von revolutionären Pamphleten, die ihn an den Rand der Verhaftung brachten.

Trotzdem engagierte er sich mutig für befreundete Angeklagte, denen vorgeworfen wurde, König Georg III. mit vergifteten Pfeilen aus einer "Pop-Gun" umbringen zu wollen. Parkinson kämpfte für eine bessere Repräsentation der breiten Bevölkerung im Londoner Unterhaus. Daneben setzte er sich für eine Stärkung der Rechte von Geisteskranken und für größere Steuergerechtigkeit ein.

Um die Jahrhundertwende wandte er sich dem Sammeln von Fossilien zu. Zwischen 1804 und 1811 veröffentlichte er drei große Bände mit Beschreibungen und Abbildungen von Versteinerungen. Das Werk wurde sehr positiv aufgenommen, Kritik kam aber von den Theologen, denen nicht gefiel, daß Parkinson für die Schöpfung der Pflanzen und Tiere lange Zeiträume voraussetzte. Der Gedanke an eine Evolution lag aber auch Parkinson fern.

Einer der Gründerväter der britischen Paläontologie

Mit seinen Studien wurde er zu einem der Gründerväter der britischen Paläontologie. Schon 1799 hatte Parkinson Bücher für eine breite Leserschaft über Chemie und Medizin veröffentlicht. Auch diese Tätigkeit entsprach seinem humanitären Ansatz. Es folgten 1805 eine längere Abhandlung über die Gicht und 1812 die erste Beschreibung einer gangränösen und perforierten Appendizitis in der englischen Literatur. Parkinson hatte einen fünfjährigen Jungen obduziert, der an einer Peritonitis gestorben war.

Alle diese Arbeiten sind vergessen. Eine Ausnahme aber macht sein "Essay on the Shaking Palsy" von 1817, eine dünne Broschüre von 66 Seiten im Kleinformat. Im Vorwort stellte Parkinson klar, daß einzelne der von ihm beschriebenen Symptome, vor allem der Tremor, schon seit der Antike bekannt waren. Er sei aber der erste, der erkannt habe, daß alle Symptome zu einer einzigen Krankheit gehörten, die einen sehr schleichenden, chronischen Verlauf nehme.

Die Basis für seine Untersuchung bildeten sechs Patienten, von denen sich vier in seiner Praxis vorgestellt hatten. Zwei Personen waren Parkinson auf der Straße aufgefallen und er hatte sie befragt. In einem Fall nahm er eine postmortale Sektion vor.

Sehr anschaulich schilderte Parkinson den Beginn der Erkrankung mit leichtem Zittern der Hände und leichter Schwäche. Es folgten der Drang, den Oberkörper vorzubeugen und zunehmend Gangschwierigkeiten mit Stürzen. Das Schreiben falle zunehmend schwer, es entwickle sich der typische kleinschrittige Gang. Nach Jahren müßten die Kranken gefüttert werden, könnten ohne Hilfe nicht mehr gehen, werde ihre Sprache unverständlich, das Kauen und Schlucken beschwerlich.

Therapieempfehlung: Aderlaß, Schröpfen und Eiterablassen

Als Ursache des Leidens vermutete Parkinson eine Schwellung des Rückenmarks im Halsbereich, wodurch das "Nervenfluidum" unterbrochen werde. Therapeutisch empfahl er Aderlässe, Schröpfen und Eiterablassen im Halsbereich. Die Vorschläge entsprachen noch ganz den alten Konzepten der Viersäftelehre. Der Essay wurde 1817 zunächst sehr positiv von den Zeitgenossen aufgenommen, geriet dann aber mehr oder weniger in Vergessenheit.

Als Parkinson am 21. Dezember 1824 im Alter von 69 Jahren starb, wurde er vor allem als Geologe und Paläontologe gewürdigt. Erst durch Jean-Marie Charcot, Arzt am berühmten Pariser Krankenhaus Salpêtrière, gelangte Parkinson zu Weltruhm. Charcot nannte die Paralysis Agitans 1861 erstmals "la maladie de Parkinson". Gleichzeitig beschrieb er den "Rigor" der Muskulatur. Zu Parkinsons Zeiten war die Beurteilung des Muskeltonus noch kein Bestandteil der klinischen Untersuchung gewesen.

Neue Perspektiven für die Therapie eröffneten sich 1960

Bis 1900 gelang es den Forschern, das Parkinson-Syndrom klar von Krankheiten wie der Multiplen Sklerose abzugrenzen. Gleichzeitig wurde die Läsion erstmals in der Substantia nigra lokalisiert. Neue Perspektiven für die Therapie eröffneten sich erst 1960, als in den Basalganglien von Parkinson-Kranken ein Dopaminmangel festgestellt wurde. Neben medikamentösen Strategien entwickelte man eine Reihe von chirurgischen Interventionen, eine Tatsache, die dem Chirurgen James Parkinson gefallen haben dürfte.

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