"Nun werde ich der Tod, der Zerstörer der Welt"

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Von Gabriele Chwallek

Im Morgengrauen des 16. Juli begann vor 60 Jahren das Atomwaffen-Zeitalter. Ein gewaltiger Atompilz stieg über dem Gelände Alamogordo in der Wüste im US-Bundesstaat New Mexico auf und signalisierte, daß der erste Nuklearwaffentest gelungen war.

US-Chefwissenschaftler Robert Oppenheimer, der "Vater der Atombombe", verfolgte die Zündung aus sicherer Entfernung, und ihm ging - wie er danach schilderte - ein Satz aus einer Hindu-Schrift durch den Kopf: "Nun werde ich der Tod, der Zerstörer der Welt." Schon drei Wochen später wurde das wahr: US-amerikanische Atombomben brachten im August 1945 Tod und Grauen über Hiroshima und Nagasaki.

Seitdem sind Nuklearwaffen nicht mehr eingesetzt worden, aber sie haben die Welt stark geprägt. Das Wissen um die apokalyptische Wirkung wurde über Jahrzehnte zur Grundlage eines Sicherheitskonzepts, das auf einem "Gleichgewicht des Schreckens" zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion beruhte: der Anhäufung immer modernerer Atomwaffen auf beiden Seiten mit der gegenseitigen Gewißheit, daß ein Angriff unweigerlich die eigene Vernichtung nach sich ziehen würde. Der daraus resultierende Rüstungswettlauf hat Abermilliarden verschlungen - auf Kosten sozialer Programme.

Zumindest einmal stand die Welt am Rande einer neuen nuklearen Katastrophe, eines dritten Weltkriegs mit einem unvorstellbaren nuklearen Inferno: Das war im Oktober/November 1962, als die damalige Sowjetunion auf Kuba über 150 Atomraketen stationiert hatte. Das nukleare Wettrüsten ging danach umso stärker weiter.

Bis Ende der 80er Jahre häuften die damaligen Atommächte - USA, Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und China - insgesamt etwa 50 000 Atomsprengköpfe an. Seit Ende des Kalten Krieges und einer Serie von Abrüstungsverträgen ist dieser Berg zwar stetig abgebaut worden, aber die Welt sitzt weiter auf einem Pulverfaß.

Nicht nur verfügen die einstigen Rivalen Washington und Moskau nach wie vor über ein riesiges Arsenal, genug, um die Welt x-fach zu vernichten. Dazu hat sich der Kreis der Atommächte ausgeweitet. Mit Indien, Pakistan und Israel besitzen drei Länder in instabilen Regionen mit regionalen Konflikten Nuklearwaffen, und atomare Ambitionen des radikal-islamischen Iran stellen den Westen vor große Herausforderungen. Nordkorea hat sich offen zum Atomwaffenbesitz bekannt, Bemühungen um eine Einstellung des Programms treten auf der Stelle.

Geheimdienstliche Hinweise schließlich, nach denen El-Kaida-Chef Osama bin Laden mehrfach versucht hat, atomares Material zu erwerben, haben das Schreckgespenst von Nuklearwaffen in Terroristenhand zu einer realen Bedrohung werden lassen. Der internationale Handel des pakistanischen Atomwissenschaftlers Abdul Quadeer Khan hat gezeigt, wie schwer es ist, die Weiterverbreitung von Atomtechnologien zu bremsen.

Das Sicherheitskonzept der nuklearen Abschreckung, mit dem sich während des Kalten Krieges die Supermächte erfolgreich gegenseitig in Schach hielten, funktioniert bei der neuen Art von Bedrohung nicht. Machthungrige tollwütige Diktatoren und erst recht Terroristen, die kein Land haben, lassen sich nicht durch die Androhung einer nuklearen Antwort abschrecken.

Alles weist darauf hin, daß auch die USA auf lange Sicht Atomwaffen als integralen Bestandteil ihres Verteidigungskonzepts beibehalten werden. So wird etwa daran gearbeitet, die Lebensdauer alternder Sprengköpfe zu verlängern.

Und der "Overkill" wird auch nach der Umsetzung amerikanisch-russischer Abrüstungsvereinbarungen bleiben. Dann wollen beide Seiten nämlich zusammen "nur" noch über 3200 Sprengköpfe verfügen - mit einer Zerstörungskraft, die zusammen 65 000 Mal so groß ist wie die der Hiroshima-Bombe.

Lesen Sie dazu auch: Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs: Bedrohung ist gewachsen

Weitere Infos: www.ippnw.de

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