"Das Leid dieser Frauen hat mein Weltbild verändert"

Der Gynäkologe Dr. Werner Harlfinger treibt den Aufbau einer Geburtshilfestation in der ostäthiopischen Wüste voran.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Herzlicher Empfang vor Ort für Dr. Werner Harlfinger und OP-Schwester Daniele Ranzenberger.

Herzlicher Empfang vor Ort für Dr. Werner Harlfinger und OP-Schwester Daniele Ranzenberger.

© Harlfinger

MAINZ. Das Leid der genitalverstümmelten äthiopischen Frauen muss ihn besonders berührt haben. Anders ist kaum zu erklären, dass ein vielbeschäftigter Mann wie Dr. Werner Harlfinger noch die Zeit findet, sich um den Aufbau einer Geburtshilfestation in einem kaum zugänglichen Winkel Afrikas zu kümmern.

Sein Schlüsselerlebnis hatte der Mainzer Frauenarzt im März dieses Jahres auf dem Gynäkologentag in Hamburg. Der Berufsverband hatte den Abenteurer und Menschenrechtsaktivisten Rüdiger Nehberg zu einem Vortrag eingeladen.

Er hat vor Jahren in einem gefährlichen Marsch die äthiopische Danakilwüste durchquert und kehrte später mit seiner Menschenrechtsorganisation Target und einer mobilen Krankenstation dorthin zurück. Er wollte den Frauen helfen, die unter den Folgen einer Genitalverstümmelung litten.

Von den entsetzlichen Qualen dieser Frauen, ihrer hohen Sterblichkeit bei Geburten und der sehr hohen Todesrate ihrer Kinder berichtete Nehberg den Gynäkologen. Harlfinger ließ dieser Bericht nicht mehr los. Der 63-Jährige reiste schon im Juni gemeinsam mit der leitenden OP-Schwester der Uniklinik Mainz, Daniele Ranzenberger, nach Äthiopien, um zusammen mit Nehberg zu erkunden, wie den Frauen am besten geholfen werden kann.

Dabei ging es zunächst von Deutschland aus in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba, dann weiter in die Provinzhauptstadt Mekele und von dort 2000 Höhenmeter in einem Jeep auf unbefestigten Feldwegen im Gebirge abwärts Richtung Danakilwüste.

"Da kommt kein Tourist hin", sagt Harlfinger und man merkt ihm auch Monate später noch an, dass er bei der Fahrt Nerven gelassen hat. Seinen Enthusiasmus, den Frauen helfen zu wollen, hat dies nicht geschmälert.

"Seit 14 Tagen gibt es vor Ort Strom und Wasser und in einem Jahr können wir mit den Behandlungen in der Geburtshilfestation starten", ist Harlfinger zuversichtlich. Das kleine medizinische Zentrum soll über zwei Op-Säle und zwei Kreißsäle sowie Krankenzimmer verfügen.

Auch ein Ärzte- und Mitarbeiterhaus sowie Räumlichkeiten für Apotheke und Lager sind geplant. Wenn das OP-Zentrum fertig ist, sollen deutsche Ärzte für jeweils sechs Wochen vor Ort arbeiten. "Wir haben schon viele Anmeldungen, suchen aber natürlich noch weitere Mediziner für die Einsätze.

Allerdings müssen sie in der Lage sein, einen Kaiserschnitt vorzunehmen", sagt der Gynäkologe, der sich seit vielen Jahren auf Landes-und Bundesebene berufspolitisch stark engagiert.

Zudem betreibt er gemeinsam mit zwei Kolleginnen eine gutgehende Praxis in der Mainzer Innenstadt. Aber Harlfinger und seine Kollegen aus den gynäkologischen Berufsverbänden in Rheinland-Pfalz, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern planen nicht nur den Aufbau der Geburtshilfestation. Sie versuchen auch die notwendigen medizinischen Geräte zu beschaffen und die entsprechenden Zollformalitäten zu erledigen.

Warum bürdet sich ein stark beschäftigter Arzt, der seit Jahrzehnten unter sehr guten medizinischen Bedingungen praktiziert, solche zusätzliche Arbeit auf? "Weil die Begegnung mit Rüdiger Nehberg und die Reise nach Äthiopien mein Weltbild verändert haben.

Ich habe dort viele liebenswerte Menschen getroffen, für die sich der Einsatz wirklich lohnt. Und außerdem können wir mit unserer Arbeit dort auch wieder zu den Ursprüngen unserer Medizin zurückkehren", sagt Harlfinger.

Für den Aufbau der Geburtshilfestation werden noch Spenden benötigt: Sparkasse Holstein, Target e.V., BLZ 21352240 Konto 50500

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