Fahrradtour

Im Sattel mit Minister Bahr

Heftig muss er sich in der Hauptstadt Berlin permanent gegen Kritiker aus der Opposition und der Regierungskoalition wehren. Wenn Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zusammen mit Journalisten in seiner westfälischen Heimat auf Fahrradtour geht, dann sieht die Welt allerdings ganz anders aus.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Bei herrlichem Sonnenschein unterwegs in Münster: Daniel Bahr (3. von rechts) tritt zusammen mit Journalisten kräftig in die Pedalen. Mit dabei auch Sunna Gieseke von der Ärzte Zeitung (links neben Bahr).

Bei herrlichem Sonnenschein unterwegs in Münster: Daniel Bahr (3. von rechts) tritt zusammen mit Journalisten kräftig in die Pedalen. Mit dabei auch Sunna Gieseke von der Ärzte Zeitung (links neben Bahr).

© Econ Tel

MÜNSTER. Es duftet unwiderstehlich nach frischen Waffeln, so wie in einem typischen Münsteraner Cafe.

Und das an einem Ort der Universitätsstadt, an dem eher der Geruch von Chemikalien wie Desinfektionsmitteln zu erwarten wäre, der normalerweise in den Gängen von Krankenhäusern hängt.

Für den verführerischen Waffelduft im Unikrankenhaus Münster gibt es an diesem Tag einen besonderen Grund. Gesundheitsminister Daniel Bahr ist auf Fahrradtour und wird als besonderer Gast erwartet.

Mit einem Tross an Journalisten im Schlepptau wird er kommen, und die Aufregung ist groß: "Wo ist denn jetzt der Minister? Ich will ihn auch sehen", ruft ein Pfleger vor einem Fahrstuhl.

Wenn die Menschen Daniel Bahr dann tatsächlich wahrnehmen, erkennen sie ihn meist dennoch nicht. "Wer ist das denn?", fragt ein anderer Pfleger, als der FDP-Mann an ihm vorbeigeht.

Bahr kennt keine Berührungsängste

Der Gesundheitsminister besucht im Universitätsklinikum Münster einen Patienten, der auf eine Spenderleber wartet.

Der Gesundheitsminister besucht im Universitätsklinikum Münster einen Patienten, der auf eine Spenderleber wartet.

© Universitätsklinikum Münster

Bahr ist inzwischen auf der ambulanten Krebsstation des Krankenhauses angekommen. Krebskranke Kinder haben für den hohen Besuch Waffeln gebacken.

Ohne lange zu zögern, setzt sich der Minister zu den Kindern an den Tisch. Einige Journalisten und Kameraleute verlassen den Raum dann allerdings fluchtartig. Krebskranke Kinder sind für sie offenbar ein zu belastendes Bild.

Ganz anders Daniel Bahr: Er kennt keine Berührungsängste. Und bei ihm wirkt das Interesse für die Menschen authentisch - im Gegensatz zu anderen Politikern, bei denen der Umgang mit Kindern und alten Leuten vor der Kamera oft etwas bemüht wirkt.

"Der ist ganz ok", soll ein Kind nach dem Kaffeeklatsch über Bahr gesagt haben. "Das ist in Westfalen bereits ein großes Kompliment", weiß der Minister den in anderen Ohren lapidar klingenden Satz richtig zu stellen. "Wenn ein Westfale richtig euphorisch ist, dann sagt er, er könne nicht klagen."

Bahr ist Westfale - euphorisch kann er mitunter dennoch werden. Vor allem, wenn er sich in seinem Element "PR in eigener Sache" befindet. Der Minister blüht regelrecht auf, wenn er für seine Gesetze werben kann.

Die Radtour mit Journalisten durch das Münsterland bietet ihm dazu ausreichend Gelegenheit. Beim Besuch eines Münsteraner Unternehmens macht er sich stark für die Nationale Präventionsstrategie, die für den Herbst angekündigt ist, im Krankenhaus trommelt er für das Krebsfrüherkennungs- und Krebsregistergesetz.

In einer Wohngemeinschaft für demenziell erkrankte Menschen rührt er die Werbetrommel für sein Pflegeneuordnungsgesetz. In Berlin erntet er dafür meist herbe Kritik. Aber im Münsterland stören weder Opposition noch (selbsternannte) Experten.

Kritiker sind weit weg

Die Radtour geht weiter. Nächster Stopp ist die Wohngemeinschaft "Villa Kahmann" in Münster: Hier leben elf an Demenz erkrankte Frauen. Es ist heiß an diesem Augusttag, die Alten-WG hat zum Sommerfest geladen, auch Angehörigen und Betreuer sind gekommen.

Es gab, so berichtet Bahr später, auch einmal einen männlichen Mitbewohner. Der sei jedoch zu dominant gewesen, daher hätten die Damen eine klare Entscheidung getroffen: Keine Männer mehr in dieser WG!

Bahr genießt die Aufmerksamkeit. Er setzt sich an eine der Festzeltgarnituren, hat eine demenzkranke WG-Bewohnerin im Arm und zwinkert den anderen Gästen aufmunternd zu.

Zum Abschied steht der leidenschaftliche Marathon-Läufer da wie immer: Die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, die Hände in die Hüften gestemmt: "Welche Wunschliste von Ihnen soll ich mit nach Berlin nehmen?", fragt er die Heimleiterin. Weniger Bürokratie, bessere Ausbildung, die Antwort kommt prompt.

Eigentlich ist Bahr sich aber sicher: Er hat bereits alles richtig gemacht. Bei den Bürgern kommt seine verbindliche Art offenbar an: Umfrage belegen, dass er - trotz des unpopulären Ressorts - zu den beliebten Politiker gehört.

In Berlin weht ein anderer Wind. Opposition, aber auch Koalitionspartner lassen oft kein gutes Haar an ihm. In Münster sind die Kritiker weit weg. Da verzeiht Bahr den Sommerfest-Gästen gerne, dass ihn einige gar nicht erkennen.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an