Freizeitspaß oder Abhängigkeit?

Psychologen erforschen Spielsucht

Die Hoffnung auf die ersehnte Glückssträhne lässt einige Menschen süchtig werden. Es zieht sie an Spieltische und -automaten, ins Internet, in die Lottobude oder zur Pferderennbahn. Suchtforscher untersuchen jetzt, warum das so ist.

Von Simona Block Veröffentlicht:
Der Kitzel beim Glücksspiel kann süchtig machen.

Der Kitzel beim Glücksspiel kann süchtig machen.

© WIC / fotolia.com

DRESDEN. Lotto, Sportwetten, Poker: Wissenschaftler an der Technischen Universität Dresden erforschen Ursachen der Spielsucht.

"Spielen ist Teil der Menschheitsgeschichte, es dient der Entspannung und Unterhaltung und Lotto-Jackpots beherrschen teils über Wochen die Schlagzeilen", sagt die Koordinatorin der bisher einmaligen Studie, Anja Kräplin. "Dass jemand Haus und Hof verspielt", zeige die Dimension exzessiven Glücksspiels.

Am Ende kann die Sucht die Existenz bedrohen und zu sozialer Isolation führen.

Kontrollverlust ist gefährlich

Wie beim Computerspiel, Shoppen oder Sport gelte bei Lotto, Pferderennen und Casino: "Zu viel ist gefährlich", ergänzt die Psychologin.

Vorsicht geboten sei, sobald Lebensinteressen eingeengt werden, die Kontrolle verloren geht und das exzessive Verhalten andere Aktivitäten verdrängt.

Die Ursachen der Störung sind weitgehend unklar, Parallelen zu anderen Süchten wie Alkohol- und Rauschgiftabhängigkeit werden aber vermutet.

Daher wollen die Dresdner Forscher herausfinden, warum Menschen es problemlos schaffen, mit dem Glücksspiel aufzuhören, aber es bei anderen pathologisch wird.

"Hohe Schulden, Verlust der sozialen Umgebung durch Lügen und Betrug", nennt Kräplin als gravierende Folgen.

Betroffene hätten jegliche Kontrolle über Zeit und Geld verloren, horrende Schulden sowie Probleme mit Familie und Umfeld.

"Ihr Alltag wird nur vom Nachdenken über die nächste Spielmöglichkeit und die nötige Geldbeschaffung beherrscht." Dabei bestimme der Zufall, "ob man gewinnt oder nicht."

150.000 Menschen mit pathologischem Glücksspiel

Etwa die Hälfte der Deutschen spielt Kräplin zufolge regelmäßig - Lotto, Wetten, Casino. Aber nur bundesweit 150.000 bis 200.000 Menschen erfüllen die Kriterien für pathologisches Glücksspiel, wie der Dresdner Professor für Suchtforschung, Gerhard Bühringer, erläutert.

Die meisten davon spielen an Geldautomaten, trotz Verarmung, Verlust von Familie und Freunden. Das Spektrum reicht vom Lageristen bis zum Firmenchef, vom Habenichts bis zum Millionär.

Die Dresdner Experten wollen nun herausfinden, wie es zu einer solchen Eskalation kommen kann.

Ein Ansatz ist, dass Menschen unterschiedlich gute Kontrollfähigkeiten haben, Probleme zu erkennen und zu beseitigen. Erfasst wird diese mithilfe spezieller, für PC und Smartphone entwickelter Aufgaben.

So können sich die Probanden entscheiden, ob sie 5 Euro gleich oder 50 Euro in sechs Wochen haben wollen. Pathologische Spieler nehmen lieber gleich die kleine Belohnung als zu warten.

Konzepte herkömmlicher Suchttherapien

Laut Bühringer gibt es bisher nur wenige Therapieansätze für pathologische Glücksspieler. Stattdessen werden Konzepte bisheriger Suchttherapien angewandt. "Wichtigste Voraussetzung aber ist die Einsicht", sagt Kräplin. Die sei nicht sehr hoch.

Das merkten selbst die Wissenschaftler. Sie fanden nur 27 statt wie geplant 45 Testpersonen, um die Störung besser zu verstehen und künftig pathologische Glücksspieler frühzeitig erkennen und behandeln zu können.

Bisher sind Kräplin zufolge nur zwei bis sieben Prozent der Spielsüchtigen in Behandlung. "Meist nicht aus Überzeugung, sondern auf äußeren Druck von Arbeitgeber, Familie und Schuldenberg", weiß Kräplin.

Wie bei Drogen, Alkohol oder Rauchen drohen selbst bei erfolgreicher Therapie auch Rückfälle. "Gefährdet bleiben sie immer." (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: a) Verlauf einer Gruppe unbehandelter Personen, b) 5-Jahres-Daten der SUNFISH-Studie Teil1, c) Teil2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Therapie der 5q-assoziierten SMA

Risdiplam-Filmtabletten: flexiblere Anwendung im Alltag

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job

Ein Hinweisschild mit Bundesadler vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© Uli Deck/picture alliance/dpa

Update

Urteil

Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelung nicht mit Grundgesetz vereinbar