Schwerbehinderung

Inklusion als Motor

Peter Beisenherz war als KFZ-Meister mit Schwerbehinderung jahrelang auf Jobsuche. Die Inklusion war für ihn eine Chance.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Peter Beisenherz an seinem Arbeitsplatz bei der Abgasuntersuchung. In der KFZ-Werkstatt fühlt er sich wohl.

Peter Beisenherz an seinem Arbeitsplatz bei der Abgasuntersuchung. In der KFZ-Werkstatt fühlt er sich wohl.

© Rolf K. Wegst

BAD WILDUNGEN. Für KFZ-Meister Fritz Faupel ist Peter Beisenherz der "ruhende Pol" des Autohauses: Immer freundlich zu den Kunden, managt er Abgasuntersuchungen, TÜV und sucht nach der Ursache für blinkende Kontrollleuchten. Davon, wie verzweifelt er als älterer Schwerbehinderter nach einem Job suchte, ist heute nichts mehr zu sehen.

Morgens um 8 Uhr, wenn die Crew des Autohauses in Bad Wildungen ankommt, ist Peter Beisenherz schon eine halbe Stunde da. "Diagnoseplatz" steht groß über dem Tisch des 55-Jährigen in der Werkstatt.

Die Diagnose ist seine wichtigste Aufgabe: Wenn die Kunden mit aufleuchtenden Auto-Kontrolllampen um Rat fragen, sucht er nach dem Grund für die Warnung. "Elektronische Fehlerauslese" heißt das heutzutage.

"Da kann ich richtig drin aufgehen", erzählt Beisenherz lachend. Zu seiner Arbeit gehören auch die zahlreichen Abgasuntersuchungen. Und natürlich hilft er auch bei Lichtwochen und Reifenwechseln - nur bei den großen Reifen packen die Lehrlinge an. Dafür profitieren die Auszubildenden von seinem Wissen bei älteren Modellen.

Seit September 2014 arbeitet Beisenherz in dem Familienbetrieb mit neun Mitarbeitern. Davor hatte der KFZ-Meister nach einer längeren Selbstständigkeit, mehreren Jobwechseln und schließlich achtjähriger Arbeitslosigkeit die Hoffnung auf einen Job schon fast aufgegeben.

2011 erlitt er einen Herzinfarkt: "Da hat die Pumpe gesagt, dass es nicht mehr geht", sagt Beisenherz. Mehrere Bypässe mussten gelegt werden. Komplikationen machten gleich drei Operationen nötig. Schwere Reifen oder gar Motorblöcke kann er seitdem nicht mehr heben. Zudem leidet er an Diabetes, muss regelmäßig Insulin spritzen und hat Durchblutungsstörungen in Händen und Füßen.

 Mit einem Behinderungsgrad von mehr als 50 Prozent hatte er beruflich seitdem keine Chance mehr. "Die lange Arbeitslosigkeit hat mir richtig zugesetzt", sagt Beisenherz: "Ich hatte das Gefühl, zu nichts mehr nutze zu sein."

Den Tipp, sich für ein Programm beim Integrationsfachdienst anzumelden, bekam er von einer Bekannten. Schon einen Tag später meldete er sich bei Diplom-Sozialarbeiterin Josefine Rohe, die sich im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV) um die älteren Schwerbehinderten im Kreis Waldeck-Frankenberg kümmert.

Für die Initiative Inklusion versucht sie, neuen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Und sie wusste, dass Faupel einen neuen Mitarbeiter suchte, der auch in der Diagnostik fit ist.

Vier Wochen später ging Beisenherz zum Probearbeiten nach Bad Wildungen-Wega. Dass er sein Handwerk versteht, merkte sein neuer Chef sofort. "Er passt gut zu uns", urteilt Fritz Faupel. "Das war das absolute Hochgefühl", sagt Beisenherz.

Nach den Jahren der Arbeitslosigkeit gab es jedoch neue Entwicklungen bei der Autotechnik. Beisenherz brauchte eine Schulung, um mit den neuen Diagnosegeräten klarzukommen, sowie einen Lehrgang für die Abgas-Untersuchungen. Das finanzierte das LWV-Integrationsamt, ebenso wie ein teures Diagnosegerät.

Heute sagt Autohaus-Chef Faupel: "Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt." Sicherlich müsse sein neuer Mitarbeiter öfter zum Arzt als die jungen Lehrlinge. Und doch: "Peter ist eine Entlastung für uns", sagt er - und ermutigt andere KFZ-Betriebe, sich ebenfalls an dem Programm zu beteiligen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Wie sich Fehlinfos geraderücken lassen

Das Faktensandwich hilft im Umgang mit falsch vorinformierten Patienten

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job

Ein Hinweisschild mit Bundesadler vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© Uli Deck/picture alliance/dpa

Update

Urteil

Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelung nicht mit Grundgesetz vereinbar