Cannabis-Patienten

Viele setzen sich berauscht ans Steuer

In den USA fahren viele Patienten nach Cannabiskonsum Auto. Auch in Deutschland sind wohl Menschen auf den Straßen unterwegs, die medizinisches Cannabis im Blut haben. Experten sind besorgt.

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Jeder Fünfte gab in der Umfrage an, bereits "sehr high" am Steuer gesessen zu haben.

Jeder Fünfte gab in der Umfrage an, bereits "sehr high" am Steuer gesessen zu haben.

© Dron / stock.adobe.com

BERLIN/MICHIGAN. Viele US-amerikanische Patienten fahren nach der Einnahme von medizinischem Cannabis Auto. Das haben Forscher der University of Michigan in den USA herausgefunden.

Den Wissenschaftlern zufolge fuhren mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer Auto, kurz nachdem sie Cannabis konsumiert hatten.

21 Prozent der Befragten, also rund jeder Fünfte, gab an, bereits „sehr high“ am Steuer gesessen zu haben. Auch in Deutschland dürfen Ärzte Cannabis verschreiben, es gibt aber keine derartigen Erhebungen.

Für die US-Studie, die im Fachblatt „Drug and Alcohol Dependence“ (drugalcdep, 2018, 11.016) erschien, wurden 790 erwachsene Cannabis-Patienten aus dem Bundesstaat Michigan nach ihren Fahrgewohnheiten in den vergangenen sechs Monaten befragt.

Die Ergebnisse seien beunruhigend schreiben die Forscher und warnen vor den Gefahren von Cannabis im Straßenverkehr. Reaktionszeit und die Koordinierung litten deutlich unter dem Cannabiskonsum. Den meisten Teilnehmern sei die Gefahr nicht bewusst, erklärte Erstautorin Erin Bonar.

Bessere Aufklärung nötig?

Die Psychologin und ihre Kollegen fordern darum eine bessere Aufklärung der Patienten. Durch den regelmäßigen Konsum bestehe besonders bei dieser Personengruppe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie high am Straßenverkehr teilnähmen.

73 Prozent der Befragten gaben an, täglich oder fast täglich Cannabis zu nehmen. In welcher Form es konsumiert wurde, erhoben die Forscher nicht. Rund ein Viertel der Befragten schätzte, am Tag drei bis vier Stunden high zu sein.

Das Aufstellen einer Faustregel zum Cannabis-Konsum für Autofahrer stellt auch die Forscher vor Herausforderungen, wie sie berichten. Sie hätten bisher keinen Grenzwert festlegen können, der besagt, wann Cannabis-Patienten bedenkenlos ins Auto steigen dürften.

Ergebnisse nur schwer übertragbar

Einschränkend zu den Ergebnissen schreiben die Forscher, dass die Teilnehmer die Angaben zu ihrem Fahrverhalten aus der Erinnerung heraus gemacht hätten. Die Erkenntnisse seien zudem nicht unbedingt übertragbar, da nur Patienten aus Michigan interviewt worden seien.

Daten aus Deutschland zu dem Thema fehlen bisher. Die Diskussion um medizinisches Cannabis und Straßenverkehr wird jedoch auch hierzulande geführt.

Seit März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland bekanntlich schwerkranken Patienten derartige Präparate verschreiben, etwa gegen Schmerzen. In einigen US-Bundesstaaten ist das schon seit einigen Jahren möglich.

Voraussetzung hierzulande ist, dass andere Behandlungsmethoden ausscheiden und die Cannabistherapie „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf“ verspricht, wie es die Kassenärztliche Bundesvereinigung formuliert.

Genehmigung der Kasse erforderlich

Außerdem muss die Krankenkasse das Rezept beim ersten Mal genehmigen. In den ersten rund zwölf Monaten nach der Zulassung gingen bei den gesetzlichen Kassen etwa 16.000 Anträge ein, von denen 60 Prozent genehmigt wurden, heißt es in einem von der Techniker Krankenkasse (TK) geförderten Cannabis-Report von 2018.

Cannabis-Patienten schafften auch in Deutschland allerlei Probleme für die Verkehrssicherheit, sagt Norbert Radzanowski. Er ist Sprecher des Bunds gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS). Die Teillegalisierung von Cannabis sei mit Blick auf die Verkehrsteilnahme problematisch.

Kein Fahrverbot für Patienten – aber Gefährdung?

Wer Cannabis im Blut hat, muss laut Straßenverkehrsgesetz das Auto stehen lassen. Ist es aber ärztlich verschrieben und wird bestimmungsgemäß eingenommen, gilt das Fahrverbot in der Regel nicht.

Ein Strafverfahren drohe jedoch den fahrenden Cannabis-Patienten, die auf Grund der Arznei-Wirkung nicht in der Lage seien, ein Fahrzeug „sicher zu führen“, etwa wenn es zu Ausfallerscheinungen komme, antwortete die Bundesregierung 2017 auf eine Anfrage der Linken-Fraktion. Das könne insbesondere in der Einstellungs- und Eingewöhnungsphase dieser Medikamente geschehen.

Eine Gefährdung gebe es in jedem Fall, betonte hingegen Radzanowski. Bis neue Regeln gefunden würden, fordert er darum: „Wer Cannabis konsumiert, soll sich nicht ans Steuer setzen.“ (dpa)

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Kommentare
Astrid Poensgen-Heinrich 14.01.201914:15 Uhr

Und was ist mit Opioiden?

Das Autofahren bei Einnahme von Medikamenten ist laut Straßenverkehrsordnung erlaubt, wenn die Medikamente zur Behandlung einer Krankheit notwendig sind. Das Prozedere bei ärztlich verordnetem Cannabis ist daher das gleiche wie beim Einsatz von Opioiden. Mir scheint, hier wird mal wieder ins Blaue geschossen um den Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken - mit deutlich weniger Nebenwirkungen als bei all den nicht verteufelten Schmerzmitteln - in die Ecke der Kiffer zu schieben. Schon die Überschrift zeigt das: Viele setzen sich berauscht ans Steuer - ist das so - in Deutschland? Ich kenne nur Patienten, die sich sorgsam damit auseinander setzen und ihre Ärzte und Therapeuten genau zu diesem Punkt befragen. Der Einsatz von medizinisch wirksamem Cannabis ist ein Segen und manchmal die letzte Hilfe für schwer kranke Menschen. Ich denke, das mit dem Thema sorgsamer umgegangen werden muß. Eine Aussage wie die von einem Herrn Norbert Radzanowski ist nicht hilfreich (so sie richtig wiedergegeben wurde). Wenn Fakten vorliegen, können diese geprüft und sodann kann gehandelt, m.E. der korrekte Weg.

Dipl.-Psych. Hans-Joachim Krahe 14.01.201913:23 Uhr

Unfallstatistiken

sollten weiterführen. Mir berichten auch Patienten von Gesichtsfeldseinengung nach Serotoninwiederaufnahmehemmer, besonders gefährlich für seitlich anfahrende Fahrradfahrer. Eine Forschung hierzu findet aber wohl gar nicht erst statt.

Leider wird die Diskussion hierzu traditionell irrational geführt, wie schon André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamte, bemängelt.

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