Lebensstil entscheidet

Freunde hinterlassen Spuren im Gehirn – Rauchen auch

Sport, Alkohol, soziale Kontakte – die Lebensführung spiegelt sich im Gehirn wider, so eine Studie. Dabei stellten die Forscher fest: Die Gehirne von Rauchern laufen auf Hochtouren. Doch das ist nicht positiv gemeint...

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Rauch prägt das Gehirn: Die kognitive Reserve sinkt, so eine Studie.

Rauch prägt das Gehirn: Die kognitive Reserve sinkt, so eine Studie.

© Massimo Paradiso / stock.adobe.com

JÜLICH. Überraschend klar lässt sich in unserem Denkorgan unter anderem ablesen, wie stark ein Mensch in sein soziales Umfeld eingebunden ist. Das hat eine Studie am Jülicher Institut für Neurowissenschaft und Medizin (INM-1) ergeben.

Für die Studie wurden Daten von 248 Frauen und 301 Männern im Alter von 55 bis 85 Jahren ausgewertet. Hierbei konnten sie sowohl auf Kernspinaufnahmen der Gehirne als auch auf einen umfangreichen Datensatz zu der Lebenssituation der Probanden zurückgreifen. Dabei wurden die Faktoren soziales Umfeld, Alkohol- und Tabakkonsum sowie körperliche Aktivität berücksichtigt.

„In bisherigen Studien wurde meist nur ein einzelner dieser Aspekte beleuchtet“, hebt Professorin Svenja Caspers vom INM-1 hervor. „Unser Datensatz erlaubt es jedoch, alle vier Aspekte gleichzeitig in jedem einzelnen Probanden zu betrachten und dabei auch Effekte aufzudecken, die erst durch das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren zustande kommen.“

Graue Substanz wird erhalten

„Sport, soziale Kontakte und Alkohol wirken sich nach unseren Ergebnissen direkt auf die Gehirnstruktur aus“, erklärt Nora Bittner, Wissenschaftlerin am INM-1. „Die graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns ist zum Beispiel bei Menschen, die in einem regen sozialen Umfeld leben, besser erhalten, als bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben.

Auch sportlich aktive Menschen zeigen im Alter einen geringeren Volumenverlust des Gehirns als inaktive Zeitgenossen. Ein hoher Alkoholkonsum wirkt sich hingegen negativ auf die Gehirnstruktur aus, geht also mit einem Gehirnabbau und dem Verlust von Nervenzellen einher“, so die Wissenschaftlerin weiter.

Raucher-Gehirn auf Höchstleistung

Rauchen hingegen beeinflusst weniger die Gehirnstruktur, sondern vielmehr die Gehirnfunktion, stellt Bittner in ihrer Arbeit fest. „Es zeigte sich, dass die sogenannte funktionelle Konnektivität, also die gezielte Zusammenarbeit von Hirnregionen untereinander, im ruhenden Gehirn bei Rauchern höher ist als bei Nichtrauchern“, so Bittner und weiter.

Seine Erlärung: „Wir gehen davon aus, dass dadurch die kognitive Reserve bei Rauchern geringer ist, da die betreffenden Regionen schon im Ruhezustand auf Hochtouren laufen und damit kein Leistungspuffer mehr frei ist.“

Als kognitive Reserve gilt die Fähigkeit des Gehirns, zusätzliche Kapazitäten im Gehirn zu aktivieren, also mehrere Bereiche zur Lösung eines Problems hinzuzuziehen, um zum Beispiel Alterungsprozesse zu kompensieren. Sind diese Bereiche schon anderweitig ausgelastet oder geschädigt, kommt es folglich zu einer geringeren geistigen Kapazität.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass allgemeingültige Aussagen zu einer gesunden Lebensführung sich auch anatomisch und funktionell im Gehirn widerspiegeln“, betont Caspers.

Welche Rolle spielt die Genetik?

Ergänzend untersuchte das Team auch genetische Veranlagungen, die mit einem erhöhten Rauchverhalten beziehungsweise Alkoholkonsum einhergehen. Das Ergebnis: Die Erbinformationen spielen offensichtlich eine nebensächliche Rolle.

Überrascht war das Forscherteam von der starken Korrelation zwischen sozialer Interaktion und der ausgeprägten Hirnstruktur. Dass ein intensives oder geringes Sozialleben ebenfalls deutliche Spuren im Gehirn hinterlässt, eröffnet eine Vielzahl von neuen Forschungsfragen, erklärt Caspers. „Zum Beispiel ob sich Sport in der Gruppe – also im sozialen Kontext – anders auf die geistige Leistungsfähigkeit und ein gesundes Altern auswirkt als der einsame Waldlauf.“

Die umfangreiche Datenerhebung aus den beiden Großstudien 1000-Gehirne und Heinz-Nixdorf-Recall bieten nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen hierzu eine ideale Grundlage, um aussagekräftige Antworten zu finden, welche Parameter ein gesundes Altern unterstützen und welche nicht. (eb)

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