„Schockierender“ Befund
Umfrage: Gewalt gegen Krankenhaus-Beschäftigte trifft zuerst Frauen
Anschreien, spucken, treten: Nachrichten über körperliche und verbale Übergriffe gegen Klinikpersonal mehren sich. Ein Bereich fällt als Tatort auf – und eine Berufsgruppe trifft es besonders, wie eine aktuelle Umfrage zeigt.
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Kein Kavaliersdelikt: Gewalt gegen Klinikpersonal nimmt zu, so eine Studie des Deutschen Krankenhausinstituts. (Symbolbild)
© Fabian Sommer/dpa
Berlin. Körperliche Angriffe, verbale Attacken: Beschäftigte in Krankenhäusern sind immer stärker Übergriffen ausgesetzt. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hervor.
Die Studie wurde am Montag veröffentlicht – Hintergrund ist der Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, der am 25. November begangen wird. Abgefragt wurden von Anfang Mai bis Mitte Juli 376 Krankenhäuser mit mehr als 100 Betten.
66 Prozent der Häuser geben demnach an, dass die Zahl der Übergriffe gestiegen ist: 42 Prozent berichten von einem mäßigen Anstieg, 22 Prozent von einem deutlichen. 95 Prozent verzeichnen Übergriffe in der Notaufnahme.
Respektverlust als häufigster Hauptgrund
Außer krankheitsbedingten Ursachen nennen 71 Prozent der Kliniken allgemeinen Respektverlust als Hauptgrund für die Angriffe, 41 Prozent lange Wartezeiten in der Notaufnahme.
Im Mittelwert sind bei 51 Prozent der Attacken auf Krankenhauspersonal Pflegefachkräfte betroffen. In 21 Prozent der Fälle sind Ärztinnen und Ärzte, in sechs Prozent Beschäftigte in anderen Bereichen Opfer der Übergriffe.
Appell an Bundesregierung
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„Wenn Pflegekräfte angegriffen werden, trifft es vor allem Frauen, denn der Pflegeberuf ist noch immer hauptsächlich weiblich besetzt“, sagte DKG-Vize Professor Henriette Neumeyer. Gewalt im Krankenhaus stelle daher nicht bloß einen Angriff auf einzelne Beschäftigte dar. „Sie steht sinnbildlich auch für ein größeres strukturelles Ungleichgewicht.“
Größeres strukturelles Ungleichgewicht
Nicht nur im Beruf, auch im Privaten seien es überdurchschnittlich häufig Frauen, die das Gros der Care-Arbeit leisteten. „Dass Frauen in Pflegeberufen zusätzlich Gewalt ausgesetzt sind, macht auf schockierende Weise sichtbar, wie gering der gesellschaftliche Respekt vor Care-Arbeit noch immer ist, und wie wenig diejenigen geschützt werden, die diese Arbeit verrichten.“
Mehr strafrechtlicher Schutz
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Die gute Nachricht: Auf die Angriffe haben die meisten der befragten Krankenhäuser reagiert: 77 Prozent schulen bereits Beschäftigte, die in besonders von Gewalt betroffenen Bereichen tätig sind, in Deeskalation. 47 Prozent lassen solche Schulungen Beschäftigten aller Stationen angedeihen.
Darüber hinaus verfügen zwei Drittel der Kliniken über eine Gefährdungsbeurteilung und eine Alarmierungskette. Gut ein Drittel hat die Gebäude mit Videoüberwachung versehen und Bereiche mit Publikumsverkehr von jenen ohne getrennt. Bedenklich: Nur 43 Prozent der Häuser stellten aufgrund von gewalttätigen Übergriffen gegen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Strafanzeige.
Verfahren werden zu oft eingestellt
Neumeyer erklärte, viele Klinikbeschäftigte machten leider die Erfahrung, dass Strafanzeigen „viel zu oft“ in eingestellten Verfahren enden würden oder die Taten anderweitig konsequenzlos blieben.
Ergebnisse des MB-Monitors
Marburger Bund-Vorsitzende Johna: „Gewalt gehört mittlerweile zum Alltag von Ärzten“
„Wir können trotz allem nur dazu ermuntern, konsequent Strafanzeige zu stellen.“ Nur so lasse sich Bewusstsein für das Ausmaß des Problems erzeugen, das weit über die medial bekannt gewordenen besonders brutalen Fälle hinausgehe.
Nötig sei die strafrechtliche Gleichstellung von Übergriffen auf Krankenhauspersonal mit denen auf Einsatzkräfte im Rettungsdienst und bei Polizei und Feuerwehr, so Neumeyer. Zudem müssten den Kliniken Kosten für Sicherheitspersonal und anderen Schutz vor Übergriffen refinanziert werden.
Unlängst hatte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), Dr. Susanne Johna, beklagt, dass verbale und körperliche Gewalterfahrungen mittlerweile zum Alltag von Ärztinnen und Ärzten dazu gehörten. (hom)










