VÄndG - ein Gesetz mit Tiefenwirkung

Der Name Vertragsarztrechtsänderungsgesetz klingt eher bürokratisch. Doch für niedergelassene Ärzte war genau dieses Gesetz, das 2007 in Kraft trat, wichtiger als so manche Gesundheitsreform vorher und nachher. Es war ein Startschuss für neue Kooperationsformen für Ärzte.

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Praxisfilialen, Teilgemeinschaften oder die Anstellung von Kollegen – 2007 boten sich Vertragsärzten plötzlich ganz neue Möglichkeiten. Manches wurde erst mit Zeitverzögerung genutzt.

Praxisfilialen, Teilgemeinschaften oder die Anstellung von Kollegen – 2007 boten sich Vertragsärzten plötzlich ganz neue Möglichkeiten. Manches wurde erst mit Zeitverzögerung genutzt.

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Deutschland, Januar 2007. Ein Urknall ist es nicht, oder wenn, dann ein sehr langsamer: Als am 1. Januar 2007 das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, kurz VÄndG, in Kraft tritt, eröffnen sich Vertragsärzten ganz neue Möglichkeiten der Kooperation.

Doch es gibt nur wenige Ärztinnen und Ärzten, die im Januar schon in den Startlöchern stehen, um gleich auszutesten, was jetzt möglich ist.

Das hat auch damit zu tun, dass das zeitgleich in Kraft getretene GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, weil es um dieses Gesetz eine heftige politische Debatte in der damaligen großen Koalition gibt.

Das Gesetz mit dem sperrigen Titel Vertragsarztrechtsänderungsgesetz wird dagegen relativ geräuschlos durch den Bundestag gebracht.

Die Berufsordnung ist bereits angepasst

Doch die Tiefenwirkung des Gesetzes ist gewaltig. Das Gesetz kommt gerade rechtzeitig in einer gesellschaftlichen Diskussion, in der es unter anderem darum geht, dass viele Ärzte die Belastungen des Einzelkämpferdaseins leid sind und sich nach mehr Flexibilität in der Berufsausübung sehnen.

Hinzu kommt, dass mit der Etablierung von Medizinischen Versorgungszentren drei Jahre zuvor der Konkurrenzdruck durch Krankenhäuser, die mit Macht in die ambulante Versorgung streben, höher wird. Viele Ärzte rufen nach neuen Möglichkeiten der Kooperation, um den Kliniken Paroli bieten zu können.

Das VÄndG fällt auch deshalb bald auf fruchtbaren Boden, weil die Ärzteschaft in der Musterberufsordnung die neuen Regelungen für Vertragsärzte bereits weitgehend antizipiert hat.

Das Berufsrecht ist also nicht generell eine Bremse für die neuen Kooperationsmöglichkeiten, auch wenn sich manche niedergelassenen Ärzte bis heute noch mehr Freiheiten wünschen als in der Berufsordnung etwa zu Teilgemeinschaftspraxen konzediert.

Auf jeden Fall entwickeln sich bald Initiativen von Ärzten, die die Möglichkeiten ausnutzen, die das VÄndG ihnen bietet. Die wichtigsten neuen Niederlassungsformen:

Anstellung: Vertragsärzte können bis zu drei Kollegen anstellen, wie später der Bundesmantelvertrag für Ärzte konkretisiert.

Umwandlung: Ein Vertragsarzt kann seine Zulassung auf einen anderen Arzt übertragen und sich von diesem anstellen lassen - auch dann, wenn beide nicht der gleichen Fachgruppe angehören.

Zweigpraxis: Ärzte dürfen eine Filiale/Zweigpraxis eröffnen, wenn sie so die Versorgung vor Ort verbessern. Das Berufsrecht gestattet, zusätzlich zum Vertragsarztsitz bis zu 2 Praxisfilialen zu betreiben.

Teilzulassung: Ärzte sind berechtigt, ihre Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung auf die Hälfte einer Vollzulassung zu beschränken.

Überörtliche Gemeinschaftspraxis (neuer Begriff: Berufsausübungsgemeinschaft): Ärzte können eine Gemeinschaftspraxis gründen, ohne sich dafür am selben Ort niederlassen zu müssen. Sie dürfen mit der Praxis sogar KV-Grenzen überschreiten.

Flexibilisierung als Lösung für Versorgungsengpässe?

Nicht alles, was Anfang 2007 wirklich wird, ist vollständig durchdacht. Teilberufsausübungsgemeinschaften zum Beispiel sind im privatärztlichen Bereich stärker etabliert als bei Vertragsärzten.

Und immer wieder gibt es Auseinandersetzungen über die Frage, ob darüber das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt umgangen wird. Zudem geht die Diskussion um die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse weiter, auch um Lösungen für Versorgungsengpässe leichter zu finden.

Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz, das Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist ein Resultat dieser weiter laufenden Diskussion.

Die auch von Spitzenfunktionären formulierte Befürchtung, dass Einzelpraxen keine Zukunft mehr haben, hat sich in den vergangenen fünf Jahren nicht bewahrheitet.

Aber der Wettbewerbsdruck vor allem in den Städten ist durch das neue Gesetz auf jeden Fall gestiegen. Eine gute Positionierung im Wettbewerb ist jedenfalls für Einzelpraxen ebenso wie für Kooperationen heute so wichtig wie nie zuvor. (ger)

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