Aufstieg zum Kilimandscharo ist ein Traum, für den Touristen oft alles opfern

Von Sebastian Bräuer Veröffentlicht:

Um den Gipfel des Kilimandscharo, den höchsten Punkt Afrikas, zu Fuß zu erreichen, würde Richard alles tun. Das schmale Brett über der Pritsche, auf der er schlafen wird, quillt fast über vor Chemie: Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpillen, Medizin gegen Tropenkrankheiten - und Diamox.

"Vielleicht hilft es ja", sagt der nicht sonderlich sportlich wirkende US-Amerikaner. Seit Jahren kursiert unter Bergsteigern das Gerücht, das Mittel zur Behandlung bei Glaukom erleichtere die Anpassung an die Höhe. Erwiesen ist das nicht. Für den Mittdreißiger ist das ein kleinkrämerischer Einwand: "Schaden wird es schon nicht. Warum brauchen Europäer immer erst einen wissenschaftlichen Beweis?"

Richard ist einer von Dutzenden Afrika-Touristen, die jeden Tag aufbrechen, um den höchsten freistehenden Berg der Welt zu bezwingen. Die ersten Hütten auf der Standardroute in 2700 Meter Höhe sind für 80 Personen ausgelegt. Oft sind sie überfüllt, weil viele Bergsteiger schlapp machen und ihr Bett nicht für die Nachrücker räumen. In der zweiten Unterkunft, 1000 Meter höher, finden sogar 120 Menschen Platz. Die "Luxus-Wanderer" legen hier einen Ruhetag ein, um sich an die Höhe zu gewöhnen.

Das Bergsteigen am sogenannten Dach Afrikas grenzt an Massentourismus. Der Marsch zum 5895 Meter hohen Gipfel sei nicht mehr als ein "Spaziergang in großer Höhe", behauptet ein US-Reiseführer. Doch fast jeden Tag müssen Hobby-Bergsteiger ins Tal getragen werden, die den Abstieg nicht mehr aus eigener Kraft schaffen.

Nur etwa gut die Hälfte gelangt tatsächlich bis auf den Gipfel. Jedes Jahr kommen immer wieder Touristen ums Leben, weil sie die Auswirkungen der Höhe auf den menschlichen Organismus unterschätzen.

Der Kilimandscharo ist eines der bekanntesten Fotomotive Afrikas. Und es ist der höchste Berg der Welt, der sich ohne Kletterei bezwingen läßt. Tansania hat es verstanden, den Traum vieler Abenteurer zu Geld zu machen.

Ein Tag mit Übernachtung im Nationalpark kostet 80 Euro, Bergführer, Träger, Essen und Ausrüstung nicht inbegriffen. Die Besteigung über die Marangu-Route, die wegen des Andrangs auch "Coca Cola-Route" genannt wird, dauert mindestens fünf Tage.

Die vorgeschriebene Minimalbesetzung besteht aus Führer und Träger. Doch oft sind ganze Karawanen unterwegs, um den Bergtouristen den Aufstieg möglichst leicht zu machen. Auch Richard ist mit zwei Bergführern, einem Koch und drei Trägern unterwegs. Jeder von ihnen balanciert 15 Kilo in einem großen Korb auf dem Kopf - Schlafsäcke, warme Kleidung, Fleisch, Gemüse und Kochgeschirr.

Gerade einmal 20 Euro pro Woche verdienen die jungen Männer für diese Schinderei. Sie erwarten ein Trinkgeld in der selben Höhe von Richard, ob er zum Gipfel gelangt oder nicht. Falls er den nächtlichen Aufstieg schafft, wird er - wie die meisten dort - seinem Bergführer vor Freude um den Hals fallen, ein paar Fotos vom Sonnenaufgang schießen und sich vor Kälte bibbernd gleich wieder an den Abstieg machen. (dpa)

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