"Gefährliche Gier nach Pulverschnee" macht Skifahrer unvorsichtig

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Von Christian Fürst

Der Weiße Tod schlug unerwartet zu. Vier Touristen, darunter ein Deutsch-Amerikaner, wurden vor wenigen Wochen bei St. Anton am Arlberg von einer Lawine verschüttet. Sie hatten diese - auf einem ungesichertem und gesperrten Hang - selbst losgetreten. Die Skifahrer wurden von den eisigen Massen erdrückt oder starben Stunden nach ihrer Bergung im Krankenhaus.

Fast täglich melden Bergretter in den Alpen zur Zeit solche Lawinenunfälle mit oft tödlichem Ausgang. "Im Durchschnitt sterben pro Jahr mehr als 100 Ski- und Snowboardfahrer in den Alpenländern", sagt Rupert Kisser, Leiter des Unfallforschungs-Instituts "Sicher Leben" in Wien. In Österreich schwankte die Zahl der Lawinentoten in den vergangenen Jahren zwischen acht und 50. Die meisten der Opfer könnten noch leben, wenn sie die einfachsten Sicherheitsvorkehrungen beherzigt hätten.

Allein in Österreich kam es im Winter 2003/2004 zu 60 Lawinenunfällen. Daß dabei "nur" acht Menschen starben und 19 verletzt wurden, führt Walter Würtl, Lawinen-Referent der Bergrettung, "auf einen sehr aktiven Schutzengel" der Betroffenen zurück. Die größten Verursacher waren dabei nach seiner Statistik risikofreudige Skitouren-Geher mit 35 Unfällen und 56 Beteiligten. 20 Lawinenunfälle mit 43 Beteiligten gab es beim so genannten Varianten- Fahren, bei dem sich Skifahrer abseits der gesicherten Pisten auf die gefährliche Abfahrt ins Tal stürzen.

87 Prozent der an den Lawinenunfällen Beteiligten sind Männer. Sie seien, so weiß Würtl aus Erfahrung, eben "auch beim Skifahren bereit, ein größeres Risiko einzugehen". Wintersportler zwischen 21 und 40 Jahren waren in die allermeisten Lawinenunfälle verwickelt. Die meisten Toten gibt es inzwischen unter der zunehmenden Zahl von Snowboardfahrern.

"Dabei wäre es ein Leichtes, diese tödlichen Lawinenunfälle zu vermeiden. Ich würde schon bei Warnstufe 3 gar nicht mehr von der gesicherten Piste gehen", sagt Rupert Kisser. Besonders in den vergangenen Wochen war die Lawinengefahr sehr groß. "Wenn die Altschnee-Unterlage schlecht und eisig ist und es innerhalb weniger Tage viel Neuschnee mit Schneeverwehungen gibt, dann wird’s immer gefährlich. Auf ungesicherten Pisten, die gerade wegen ihres Pulverschnees besonders locken, kann man dann schnell ein Schneebrett oder eine Lawine lostreten, weil der Altschnee mit dem Neuschnee nicht verbunden ist."

Doch gerade diese Wetterlage verführt die risikofreudigen Wintersportler. "Die gefährliche Gier nach Pulverschnee", sagt Ski-Funktionär Karl Gabl, treibe die Skiläufer und Snowboarder förmlich auf die ungesicherten Hänge. Daß die Skiläufer dabei nicht selten von erfahrenen Touren-Gängern oder gar Ski-Lehrern in diese Gefahr gebracht werden, sei keine Seltenheit. "Mit der Erfahrung kommt die Überheblichkeit", weiß "Sicher Leben"-Chef Kisser. Andere, vor allem die Jüngeren, wollten sich offenbar selbst beweisen. Für sie ist die Abfahrt auf den offiziellen Pisten einfach keine Herausforderung mehr.

Die Bergung eines Verschütteten wird heute den Betroffenen in Rechnung gestellt. Der Einsatz des Rettungshubschraubers und nicht selten Dutzender Helfer kostet oft Tausende Euro. Sollte es dagegen auf den offiziellen Abfahrten zu einem Unglück kommen, haften die jeweiligen Betreiber. Doch Lawinenunfälle auf den gesicherten Pisten gibt es höchst selten. "Die Bergbahnen sperren die Pisten lieber zu, bevor sie ein Risiko eingehen", so Kisser.



Airbag, Funkgerät und Spaten können bei Lawinen Leben retten

Die meisten Lawinenunfälle könnten bei umsichtigem Verhalten von Wintersportlern verhindert werden. "Wenn alle Skifahrer und Snow- boarder grundsätzlich nur auf den gesicherten Pisten und Routen fahren würden, gäbe es praktisch keine solchen Unfälle", sagt Rupert Kisser, Leiter des Wiener Instituts "Sicher Leben". Die österreichischen Bergbahnen sorgten "schon aus Eigeninteresse dafür, daß die von ihnen ausgewiesenen Pisten und Routen sicher sind".

Grundsätzlich empfiehlt Kisser Skifahrern, bei Bergtouren außerhalb der gesicherten Pisten vor allem Abstand zu halten. Um für den Fall des Falles gerüstet zu sein, sei das Tragen eines Airbags wichtig: "Der stellt sicher, daß ich an der Oberfläche bleibe oder nicht zu tief hinab gezogen werde".

Außerdem sollten alle Skiläufer ein kleines Funk- und Peilgerät bei sich tragen, das die Ortung nach einer Lawine erleichtere. Auch ein Spaten gehöre dazu, um ein Opfer möglichst schnell ausgraben zu können. "Wenn ich erst auf die Bergrettung warten muß, ist es zu spät", sagte Kisser. "Nach 15 Minuten lebt der Mensch meist noch. Nach 45 Minuten ist er aber tot". (dpa)

Infos unter www.bergrettung.at und unter www.sicherleben.at

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