Warum der Unmut der Ärzte wächst

Die alles überlagernde Ursache für die Unzufriedenheit bei niedergelassenen Ärzten ist der Mangel an Geld.

Von Fritz Beske Veröffentlicht:
Für Ärzte geht die Rechnung oft nicht mehr auf: sie arbeiten nicht mehr kostendeckend.

Für Ärzte geht die Rechnung oft nicht mehr auf: sie arbeiten nicht mehr kostendeckend.

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Es geht dabei um das Missverhältnis zwischen Leistungsanspruch des Versicherten und dem zur Deckung dieses Leistungsanspruchs zur Verfügung stehenden Finanzvolumen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dieser Zusammenhang wird oft übersehen oder bewusst verschwiegen.

Deutschland hat weltweit den umfangreichsten Leistungskatalog in der Gesundheitsversorgung, was bedeutet, dass es mehr Geld für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellen müsste, um den Anspruch der Versicherten zu erfüllen. Und eben dies ist nicht der Fall. Denn Deutschland nimmt je nach Berechnungsart Platz 3 in den Gesundheitsausgaben ein, bezogen auf das Brutto-Inlandsprodukt, oder nur Platz 10, bezogen auf Pro-Kopf-Ausgaben der Bevölkerung (in US-Dollar; OECD 2006).

Ansprüche nahmen zu, die Konflikte auch

Innerärztliche Konflikte hat es immer gegeben. Diese Konflikte eskalierten aber erst, als die Politik begann, das Gleichgewicht zwischen dem wachsenden Leistungsanspruch und immer weniger Möglichkeiten der leistungsgerechten Finanzierung dieses Leistungsanspruchs durch Budgets und pauschale Mittelzuweisungen nachhaltig zu stören. Kassenärztliche Vereinigungen wurden gezwungen, den Anspruch des einzelnen Kassenarztes mit begrenzten Mitteln zu befriedigen. Dies konnte nicht gelingen.

Diesen Mangel bei immer weiter steigenden Ansprüchen - allein das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sieht sechs neue Leistungen vor, darunter Palliativmedizin und geriatrische Rehabilitation - konfliktfrei zu verteilen, ist schlicht unmöglich. Was ist zu tun?

Zur Lösung des Konflikts zwischen Leistungsanspruch und Leistungsfinanzierung ist es erforderlich, die drei Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung anzuerkennen und in Einklang zu bringen:

  • Bedarfsgerechter Leistungskatalog
  • Bedarfsgerechte Finanzierung des Leistungskatalogs
  • Leistungsgerechte Honorierung der Leistungserbringer

Diese drei Faktoren bilden eine Einheit. In jedem Leistungsbereich und damit auch in der Gesundheitsversorgung gibt es die Möglichkeit, durch eine effizientere Versorgung und durch Strukturveränderungen Einsparungen zu erzielen. Mit keiner dieser Maßnahmen ist jedoch das Missverhältnis zwischen Leistungsanspruch und Leistungsfinanzierung in der GKV zu beheben. Alleinige Lösung ist die Reduzierung des Leistungskataloges und damit des Leistungsanspruches des Versicherten. Dies stößt auf Widerspruch, ist jedoch der einzig mögliche Weg, um auch künftig eine gesicherte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Finnland hat Subventionen für die Versorgung gekürzt

Was hier für Deutschland gefordert wird, ist längst Wirklichkeit in vielen anderen Ländern. Zwei Beispiele dafür: Um die staatlichen Ausgaben im Gesundheitsbereich zu reduzieren, hat die finnische Regierung ihren Kommunen im Frühjahr die Subvention für die Gesundheitsversorgung gekürzt und ihnen zugleich gesetzlich ermöglicht, die Verluste durch erhöhte Patientenzuzahlungen auszugleichen. In der Folge stiegen die Zuzahlungen um durchschnittlich 17 Prozent. Finnische Patienten müssen nun bis zu 12,80 Euro für den Besuch beim Hausarzt bezahlen, 25 Euro für eine weitere ambulante Behandlung und 30 Euro pro Tag für eine stationäre Behandlung. Erst ab einer jährlichen Zuzahlung von 590 Euro sind weitere Leistungen zuzahlungsfrei. In Zukunft sollen Patientenzuzahlungen alle zwei Jahre automatisch erhöht werden, um die Kostensteigerungen auszugleichen.

In Japan ist eine besondere Versicherung für die alten Alten, die Gruppe der über 75-Jährigen, eingeführt worden, mit einer Eigenbeteiligung von zehn Prozent. Dieser Prozentsatz soll bald auf zwölf Prozent steigen.

In beiden Ländern existiert ein Realitätsbezug, von dem wir in Deutschland noch weit entfernt sind.

Professor Dr. med. Fritz Beske, MPH Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel

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