Asbestkrankheiten

Nur selten offiziell anerkannt

Rund 1500 Menschen sterben jährlich aufgrund einer anerkannten Asbesterkrankung. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. Nur jede fünfte Anzeige einer Erkrankung werde anerkannt. Gründe für die niedrige Quote kann die Regierung nicht nennen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Arbeit auf dem Asbestdach: Wird Staub des Materials eingeatmet kann es zur Asbestose kommen - im schlimmsten Fall entsteht Lungenkrebs.

Arbeit auf dem Asbestdach: Wird Staub des Materials eingeatmet kann es zur Asbestose kommen - im schlimmsten Fall entsteht Lungenkrebs.

© Sommer / Imago

BERLIN. Die Bundesregierung sieht keine Lücken bei der Anerkennung von Versicherten, die asbestbedingt an Lungenkrebs leiden. In der gesetzlichen Unfallversicherung gelte der Grundsatz der Amtsermittlung, heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion der Grünen.

Die Unfallversicherungsträger müssten die gesamte Arbeitsanamnese des betroffenen Versicherten rückwirkend ermitteln. Daran müsse der Versicherte im Rahmen seiner Möglichkeiten zwar mitwirken, sei aber nicht in der Pflicht, Beweise beizubringen, die eine berufsbedingte Erkrankung belegen.

Die Grünenfraktion verwies im Gegensatz darauf, dass nur jeder fünfte angezeigte asbestbedingte Lungenkrebsfall auch als Berufskrankheit anerkannt wird. Es gebe eine "gesellschaftliche Verantwortung für die Opfer", betonen die Linken.

In Deutschland ist Asbestose bereits seit 1936 als Berufskrankheit anerkannt, dennoch sei der Arbeitsschutz in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, unzureichend gewesen. Erst seit 1992 ist Asbest hierzulande verboten.

Das Bundesarbeitsministerium sieht Versicherte mit Asbesterkrankungen nicht in einer Sondersituation. In der Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) würden generell nicht die Gründe ausgewiesen, warum Anträge auf Anerkennung als Berufskrankheit abgelehnt wurden.

Grenzwert oder Schwellendosis fehlt

Für asbestbedingte Krebserkrankungen gebe es keinen Grenzwert oder eine Schwellendosis, erläutert das Arbeitsministerium. Entsprechend sei das Zählen von Asbestkörpern in der Lunge auch kein "Tatbestandsmerkmal im Sinne eines Grenz- oder Schwellenwerts", sondern nur einer von mehreren Bestandteilen der Diagnostik.

Grundlage der Anerkennungsverfahren bildeten vielmehr die sogenannten Falkensteiner Empfehlungen aus dem Jahr 2011. Diese sind von einem Arbeitskreis unter Beteiligung von sieben medizinischen Fachgesellschaften erarbeitet worden, heißt es.

Weil die Asbestexposition der Betroffenen nicht selten Jahrzehnte zurückliegt und Unterlagen nicht mehr vorhanden sind, könnten die Versicherungsträger auf Arbeitsplatzkataster zurückgreifen.

Darin seien alle verfügbaren Daten der Berufsgenossenschaften aus unterschiedlichen Branchen zusammengetragen worden, berichtet die Regierung. Beschrieben werden dort typische asbestexponierte Tätigkeiten in verschiedenen Berufsfeldern.

Lässt sich die Arbeitsvorgeschichte eines Erkrankten nur unvollständig rekonstruieren, seien "unter Umständen auch Beweiserleichterungen und verminderte Anforderungen an einen Beweis zulässig", heißt es dazu im neuesten "Faserjahrereport" der DGUV.

EU-Parlament fordert einfachere Anerkennungsverfahren

Das Europäische Parlament hat in einer Entschließung vom 14. März 2013 gefordert, die Anerkennungsverfahren (für Erkrankte) zu vereinfachen und zu erleichtern.

Weiter fordert das Parlament, "die Beweislast nicht den Asbestopfern aufzuerlegen, sondern weiter gehende Rechte zur Geltendmachung von Entschädigungsleistungen zu begründen".

Diese Beweiserleichterungen werden nach Ansicht der Bundesregierung im geltenden Verfahren zur Feststellung von Berufskrankheiten bereits praktiziert.

So müsse beispielsweise der Kausalzusammenhang zwischen Asbesteinwirkung und Erkrankung lediglich "hinreichend wahrscheinlich" sein. Ein Vollbeweis werde in dem Verfahren hingegen nicht gefordert.

Diese und andere Regelungen reichten aus, "um die im Einzelfall bestehenden Feststellungsschwierigkeiten zu überwinden", heißt es.

Aufgesplittet nach der Berufskrankheiten-Verordnungen hat es 2010 folgende Anzeigen von Versicherten und Anerkennungen gegeben:

› Asbestose (BK-Nummer 4103): 3732 Anzeigen, 1750 Anerkennungen;

› Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs (BK-Nummer 4104): 3709 Anzeigen, 709 Anerkennungen;

› Mesotheliom (BK-Nummer 4105): 1479 Anzeigen, 931 Ankennungen;

› Lungenkrebs - Synkanzerogenese Asbest und PAK (BK-Nummer 4114): 89 Anzeigen, 15 Genehmigungen.

Nach Angaben der Grünen sterben jährlich rund 1500 Menschen in Deutschland an einer anerkannten berufsbedingten Asbesterkrankung.

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