Mythen

Mehr Sachlichkeit im Umgang mit NSAR und Erkältungsmitteln

Halbwissen zu Medikamenten verhindert einen sachgemäßen Gebrauch durch Patienten. Das sagt der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, der mit alten Mythen aufräumen will.

Von Jonas Tauber Veröffentlicht:

BONN. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) wirbt für einen nüchterneren Umgang mit Schmerzmitteln und Erkältungsmitteln. Das Thema sei zwar sehr präsent, werde aber durch Mythen und Legenden bestimmt, kritisierte der Verband auf einem Pressegespräch in Bonn.

BAH-Geschäftsführer Wissenschaft Dr. Elmar Kroth nannte mehrere vermeintliche Gewissheiten, die in der Diskussion von OTC-Medikamenten immer wieder auftauchten.

Dass Kombinationsarzneimittel, die etwa bei Erkältungen üblich sind, gefährlich und nicht sinnvoll sind, hält der BAH zum Beispiel für falsch. Ein Zusatznutzen, der über die Effekte der einzelnen Wirkstoffe hinausgeht, sei durch Studien belegt.

Auch bei der Höhe des Analgetika-Verbrauchs werde häufig mit falschen Zahlen argumentiert (wir berichteten gestern kurz). Hier liege Deutschland nach Daten von IMS Health im Vergleich mit anderen Industrieländern hinter den USA sogar ziemlich am Schluss. Nur in der Schweiz und in Österreich sei der Verbrauch geringer als hierzulande.

BAH: Sicherheit wird überbetont

Professor Thomas Herdegen, stellvertretender Direktor am Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie der Universität Kiel, sprach beim Pressegespräch von einer Überbetonung der Sicherheit in der Schmerztherapie - auch bei verschreibungsfreien Mitteln.

Medienberichte referierten immer wieder einseitig über die Risiken von Wirkstoffen wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen oder Paracetamol.

"Wir schauen mit einem negativen Blick auf Schmerzmittel und suchen vor allem nach Schwächen und nicht nach Stärken", so Herdegen. Das führe auch bei Medizinern zu Verunsicherung. "Die Ärzte bekommen Angst vor den Medikamenten, auch diejenigen, die ich ausbilde".

OTC-Schmerzmittel tragen aus seiner Sicht direkt zur Lebensqualität der Menschen bei, weil sie direkt in der Apotheke zu haben sind. Ihre Gefahren beschränkten sich auf den falschen Gebrauch, sagte er. Suchtpotenzial sei nicht vorhanden.

Auch Professor Stefan Evers, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Krankenhaus Lindenbrunn in Coppenbrügge und Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Münster, sieht Aufklärungsbedarf. Das zeige eine Telefonumfrage unter 1000 europäischen Bürgern.

Eltern scheuen Medikamentengabe

Besonders aussagekräftig findet Evers die Antworten zu Schmerzen bei Kindern. Während die Deutschen im europäischen Vergleich besonders von der eigenen Expertise im Umgang mit Schmerzen bei Kindern überzeugt sind, seien nur vier Prozent bereit, Medikamente zu geben, sobald der Schmerz auftritt. In Russland oder Spanien würden das hingegen 27 Prozent und 25 Prozent tun.

"Über die Hälfte der Deutschen fühlt sich im Umgang mit Schmerzen bei Kindern gut informiert, aber kaum jemand gibt Schmerzmittel, so wie es gemacht werden sollte", so Evers. "So etwas nennen wir kognitive Dissonanz."

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