So kommen Arbeitnehmer in Bewegung

KÖLN (iss). Wenn Ärzte Arbeitnehmern bei betrieblichen Gesundheitschecks empfehlen, sich mehr zu bewegen, dann hat das kaum Auswirkungen auf das Verhalten der Mitarbeiter. Effektiver sind individuelle Schulungen und Kurse.

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Treppe oder Rolltreppe? Wer gelernt hat, wie man durch Bewegung Stress abbaut, nimmt die Treppe.

Treppe oder Rolltreppe? Wer gelernt hat, wie man durch Bewegung Stress abbaut, nimmt die Treppe.

© Foto: Bilderbox

Mit gezielten Programmen zur Förderung der physischen Aktivität oder individuell auf die Beschäftigten zugeschnittenen Schulungen und Sportkursen kommen Arbeitnehmer in Bewegung. Das zeigt eine Literaturstudie der Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA). Danach können auch einfache Dinge Erfolge bringen, etwa Hinweisschilder, die zum Treppensteigen animieren, oder die Aufforderung, ins Büro eines Kollegen zu gehen, anstatt ihn anzurufen.

Das Fazit der Untersuchung: Wenn Betriebe sich um Gesundheitsförderung und Prävention am Arbeitsplatz kümmern und dabei wirksame Maßnahmen auswählen, macht sich das nicht nur bei der Gesundheit ihrer Mitarbeiter bezahlt, sondern auch ökonomisch für die Unternehmen.

Auch für bekannte Maßnahmen fehlen Wirksamkeitsbelege

Für den Bericht "Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention" haben die Autoren Ina Sockoll, Ina Kramer und Wolfgang Bödeker wissenschaftliche Literatur zu drei Themen ausgewertet: Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens (17 Überblicksartikel, die mehr als 350 Studien erfasst haben); Prävention psychischer Erkrankungen (neun Artikel mit rund 300 Studien) und Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (19 Artikel, über 400 Studien).

Die Auswertung ergab, dass selbst weit verbreitete Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung nicht immer den Evidenz-Test bestehen. So gibt es nach Aussagen der Autoren keinen Beleg für die Wirksamkeit von klassischen Rückenschulen in der Primärprävention: "Wie sich gezeigt hat, scheinen sich die Rückenschulen jedoch für die Sekundär- und Tertiärprävention bei Personen mit Rückenschmerzen zu eignen." Werden Arbeitnehmer in Schulungen theoretisch über ergonomische Zusammenhänge informiert, ohne dass damit ein konkretes Training verbunden ist, hat das weder Einfluss auf die Zahl von Arbeitnehmern mit Muskel-Skelett-Erkrankungen noch auf die Fehlzeiten. Nachweisbare Erfolge können Betriebe dagegen mit gezielten körperlichen Übungsprogrammen verbuchen.

Belegt ist nach dem IGA-Report die Wirksamkeit von individuellen Kursen zum adäquaten Umgang mit Stress. "Sowohl bei beschwerdefreien Personen, Beschäftigten mit hohem Risiko für psychische Störungen als auch bei Mitarbeitern, die bereits Symptome aufweisen, haben sich derartige Interventionen auf der individuellen Ebene als nützlich erwiesen." Vor allem Fehlzeiten können so reduziert werden.

Mit solchen Maßnahmen lassen sich allerdings keine Stressquellen vermeiden, die mit dem Führungsstil, dem Betriebsklima oder der Arbeitsorganisation zu tun haben. In diesem Bereich sind Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote bisher erst selten wissenschaftlich evaluiert worden. Von der Tendenz her besäßen verhaltenspräventive Interventionen das Potenzial, die psychische Gesundheit Beschäftigter zu fördern. "Kombinierten Programmen, die aus Interventionen auf der individuellen und der organisatorischen Ebene bestehen, wird im Bereich der Prävention psychischer Erkrankungen von mehreren Autoren der größte gesundheitliche und ökonomische Nutzen zugeschrieben."

Positive Bilanz zum ökonomischen Nutzen

Überall dort, wo es auch um den ökonomischen Nutzen von betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention ging, seien die Auswertungen zu einer positiven Bilanz gekommen, schreiben die IGA-Autoren. "Positive Evidenz hinsichtlich des ökonomischen Nutzens konnte sowohl für Interventionen allgemein als auch für krankheitsspezifische Interventionen festgestellt werden." Ein Großteil der Studien habe einen positiven Effekt hinsichtlich der Senkung der Krankheitskosten und der durch Fehlzeiten bedingten Kosten gezeigt. "Wie aus der Literatur jedoch hervorgeht, mangelt es deutlich an Methoden zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Gesundheit und Arbeitsleistung beziehungsweise Produktivität."

STICHWORT

Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA)

In der Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA) arbeiten Vertreter von gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungsträgern zusammen, um arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Träger der IGA sind der Bundesverband der Betriebskrankenkassen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, der AOK-Bundesverband und der Arbeiter-Ersatzkassenverband.

Ziel der Kooperation ist es nach Angaben der IGA, vorhandene Methoden und Erkenntnisse für die Praxis nutzbar zu machen und Präventionsansätze für die Arbeitswelt weiterzuentwickeln. (iss)

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