TSVG

Spahn kritisiert Stimmungsmache der Ärzte

Die Ärzte sind verärgert über Spahns Versorgungsgesetz. Der Bundesgesundheitsminister zeigt sich irritiert und stellt gegenüber der "Ärzte Zeitung" klar: Die KBV hat am Gesetz intensiv mitgearbeitet.

Anno FrickeVon Anno Fricke und Wolfgang van den BerghWolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz bringt Ärzte in Wallung. Die Ärzte werden drangsaliert, sagt KBV-Chef Gassen. Bundesgesundheitsminister Spahn betont, dass die KBV an der Erarbeitung des Gesetzes mitgewirkt habe.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz bringt Ärzte in Wallung. Die Ärzte werden drangsaliert, sagt KBV-Chef Gassen. Bundesgesundheitsminister Spahn betont, dass die KBV an der Erarbeitung des Gesetzes mitgewirkt habe.

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BERLIN. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erhitzt die Gemüter. "Mit dem TSVG drangsaliert die Politik die Ärzte", kommentierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen die geplante Vorgabe, die Mindestsprechstundenzahl für Kassenärzte von 20 auf 25 Stunden in der Woche zu erhöhen, am Donnerstag in Berlin.

Mit immer mehr Eingriffen sorge der Gesetzgeber dafür, dass der seiner Natur nach freie Beruf des Arztes nicht mehr frei sei.

Zusätzlich zur Ausweitung des Mindestsprechstundenangebots führt das Gesetz für Ärzte der fachärztlichen Grundversorgung, die Verpflichtung ein, zusätzliche offene Sprechstunden einzuführen. Damit sollen die Chancen für Patienten erhöht werden, ohne vorherige Terminabsprache behandelt zu werden.

Die zusätzlichen Angebote sollen mit Vergütungsanreizen versehen werden. Für Hausärzte, die für einen Patienten als Dienstleister einen Facharzttermin ausmachen, soll es fünf Euro je Vorgang geben.

Spahn: "Mit Falschinformationen wird Stimmung gemacht"

Lesen Sie dazu auch: Spahn zur Kritik am TSVG: "Manche Wortwahl irritiert mich sehr" Standpunkt: Vertrauensverlust sorgt für miese Stimmung

"Leider wird häufig mit Falschinformationen Stimmung gemacht", hält Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Interview mit der "Ärzte Zeitung" gegen die Argumente der Ärzte. Es sei zum Beispiel nicht richtig, dass auch die Hausärzte fünf offene Sprechstunden in der Woche anbieten müssten.

Auch den Vorwurf, ältere und chronisch kranke Patienten könnten beim Kampf um die Behandlungszeiten in den offenen Sprechstunden zu kurz kommen, weist Spahn zurück. Chroniker hätten in der Regel ohnehin einen festen Arzt und seien regelmäßig in Behandlung.

Spahn deutet indirekt an, dass die Ausweitung der Sprechstundenzahl auf Praxen ziele, die ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllten. "Wer jetzt schon 25 Stunden pro Woche arbeitet, für den ändert sich gar nichts", sagt Spahn.

Irritiert über "manche Wortwahl"

Spahn zeigt sich irritiert über "manche Wortwahl" der Vertreter der niedergelassenen Ärzte in der politischen Auseinandersetzung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sei "sehr intensiv in die Erarbeitung des Gesetzes eingebunden" gewesen.

Die höhere Mindestsprechstundenzahl dürfte für die meisten Praxen rechnerisch eine untergeordnete Rolle spielen. Im Schnitt haben die Ärzte für Patienten heute schon 32 Stunden in der Woche geöffnet.

Das geht aus dem "Ärztemonitor 2018" hervor, KBV und NAV-Virchow-Bund am Donnerstag in Berlin vorgestellt haben. Und: 90 Prozent der Niedergelassenen sind demnach mit ihrer Arbeit zufrieden.

Ärzteverbände reagieren sauer auf das TSVG

"Kleinteiliges Hineinregieren?" Die Kommentare aus vielen Ecken der Ärzteschaft zum Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes sind von großen Sorgen geprägt.

Professor Frank Ulrich Montgomery, BÄK-Präsident: "Die Vorgaben des TSVG laufen ins Leere, wenn sich die Politik nicht der dringenden Zukunftsfrage widmet, wie sie die gesundheitliche Versorgung in Deutschland auf Dauer sichern kann. Dafür brauchen wir mehr Ärztinnen und Ärzte. Hier müssen Bund und Länder ansetzen und endlich die lange angekündigte Reform des Medizinstudiums umsetzen."

Aus der Resolution der Vertreterversammlung der KBV vom 28. September 2018: "Das TSVG ist geprägt von einem tiefen Misstrauen und einer Missachtung des freien Berufs. Es ist viel zu kleinteilig und nicht geeignet, die Versorgung zu verbessern. Es ist geeignet, die Attraktivität der Niederlassung weiter zu vermindern. (…) Wir brauchen insgesamt mehr Ärzte und eine Steigerung der Attraktivität der Niederlassung durch Abschaffung der Budgets und der Regresse."

BMVZ: "Als höchstproblematisch in der praktischen Umsetzung des TSVG sieht der Bundesverband Medizinischer Versorgungszentren (BMVZ) an, dass künftig jeder Anstellungswechsel im MVZ und in Berufsarbeitsgemeinschaften unter den Vorbehalt der Versorgungsnotwendigkeit gestellt werden soll."

Psychotherapeutenverbände Bvvp, DGPT, DPtV, VaKJP: "Die Psychotherapeutenverbände lehnen das TSVG in Teilen ab. Menschen mit psychischen Erkrankungen zuzumuten, eine zusätzliche Prüfung ihres Behandlungsbedarfs nicht durch ihren Behandler, sondern durch eine spezielle ,Steuerungspraxis‘ vornehmen zu lassen, stellt eine beispiellose Diskriminierung dieser Patientengruppe dar. (…) Die Politik scheint die Notlage vieler psychisch erkrankter Menschen nicht ausreichend nachzuvollziehen."

Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin: "Mit der vorgesehenen Anhebung der Pflichtstundenzahl für Kassenärzte von 20 auf 25 Stunden und der Vorgabe einer täglichen einstündigen terminfreien Sprechstunde wird von der Politik ungerechtfertigt kleinteilig in die Praxisstruktur und Praxisorganisation eingegriffen."

Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. "Das ist genau der falsche Weg, wenn man dem Ärztemangel wirksam begegnen und den Arztberuf wieder attraktiv gestalten will. Besser wäre es, den Ärzten und Psychotherapeuten das verdiente Vertrauen zu schenken und sie ihre Angelegenheiten selbst regeln zu lassen. Wenn der Staat hier künftig noch mehr eingreift, drohen ganz neue Formen der Über-, Unter- und Fehlversorgung," (eb)

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 18.10.2018 um 17:13 Uhr.

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