Ergotherapeuten und Logopäden geraten ins Visier der Kassen

Die Kosten für Heil- und Hilfsmittel steigen seit Jahren. Die Gmünder Ersatzkasse schlägt jetzt Alarm: Sie fordert von der neuen Bundesregierung die Möglichkeit zum Abschluss von Selektivverträgen mit Leistungsanbietern.

Von Bülent Erdogan Veröffentlicht:

BERLIN. Um die weiter steigenden Kosten für Heilmittelverordnungen in den Griff zu bekommen, will die Gmünder Ersatzkasse (GEK) künftig direkte Verträge mit Heilmittelanbietern wie Logopäden, Ergotherapeuten, Podologen und Physiotherapeuten abschließen. Eine entsprechende Novelle des Paragrafen 124 SGB V durch die neue Bundesregierung verlangte GEK-Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker am Dienstag in Berlin.

Bislang müssten Kassen unterschiedslos mit allen Leistungsanbietern zusammenarbeiten, kritisierte er bei der Vorstellung des GEK-Heil- und Hilfsmittel-Reports 2009. Hierfür müssten die Anbieter neben der Berufszulassung lediglich Kriterien wie eine bestimmte Raumhöhe ihrer Praxis nachweisen. Die Preise würden zudem landesweit auf Verbandsebene vereinbart.

Der Heil- und Hilfsmittelmarkt war 2008 mit einem Anteil von knapp sechs Prozent oder neun Milliarden Euro der viertgrößte Ausgabenblock in der GKV. Bei der GEK betrugen die Ausgaben rund 182 Millionen Euro. "Heil- und Hilfsmittel sind ein Wachstumsmarkt und werden es in Zukunft noch stärker sein", sagte Schlenker.

Als Gründe nannte er den steigenden Anteil alter Menschen und die Zunahme von Verordnungen bei Kindern. Dabei warnte Schlenker vor einer Pathologisierung von Schulkindern. "Von den GEK-versicherten Kindern unter zehn Jahren erhält in etwa jedes zehnte Kind eine Ergotherapie oder Logopädie. Da fragt man sich: Was soll denn das?", mahnte Schlenker bei der Vorstellung des zum sechsten Mal erschienenen Reports. Die "Medizinierung der Erziehung und der Pädagogik in der Schule" sei fragwürdig. "Ich weiß nicht, ob wir hier auf dem richtigen Weg sind", so Schlenker.

Der Hauptautor des GEK-Reports, der Bremer Sozialwissenschaftler Professor Gerd Glaeske, forderte bei der Vorstellung der Ergebnisse eine intensivere Prüfung von Hilfsmitteln wie Hör- oder Inhaliergeräte. "Da reicht das CE-Zeichen nicht", so Glaeske. Zudem müssten die Geräte für die Patienten einfacher bedienbar sein, sonst würden aus ihnen ungenutzte "Schubladengeräte".

Im Heilmittelbereich sprach sich Glaeske für eine eigenständigere Rolle von Leistungserbringern aus und brachte ein autonomes Verordnungsrecht ins Spiel. Die Verordnung sollte künftig zumindest in enger Kooperation mit dem Arzt erfolgen, so der Pharmazeut.

Glaeske forderte eine bessere Versorgung von Patienten, die mit schweren Krankheiten heute immer öfter das Erwachsenenalter erreichten. Dies gelte zum Beispiel für Patienten mit Mukoviszidose. Im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich stünden für diese Patienten jedenfalls 19 000 Euro pro Jahr zur Verfügung, um auch im Erwachsenenalter eine gute Versorgung zu gewährleisten, sagte Glaeske.

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