GKV und PKV: Setzen, sechs!

Die GKV ist ungerecht, die PKV nicht transparent - Ökonomen zeichnen ein düsteres Bild des deutschen Gesundheitswesens und warnen vor der Staatsmedizin. Das Problem seien die Rentner.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Privat oder gesetzlich: Von Ökonomen bekommen beide System schlechte Noten.

Privat oder gesetzlich: Von Ökonomen bekommen beide System schlechte Noten.

© imagebroker / imago

BERLIN. Ökonomen geben dem solidarischen Umlagesystem der gesetzlichen Krankenkassen eine glatte Sechs. Der Grund: Erwerbstätige müssen allein im Jahr 2012 etwa 24 Milliarden Euro zu viel in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen.

Ursache ist aus Sicht des Gesundheitsökonomen Thomas Drabinski der Generationskonflikt zwischen der arbeitenden Bevölkerung und den Rentnern.

Rentner zahlten zwar gleich viel ein, brauchen aber mehr medizinische Leistungen. Und hier entstehe eine Deckungslücke - zum Nachteil der Erwerbstätigen.

Das hat eine aktuelle Studie des Kieler Gesundheitsökonomen Drabinski und der Frankfurter Beratungsfirma PremiumCircle ergeben. Nach Angaben der Autoren hatte die Studie keinen Auftraggeber.

Mit einem Bein in der Staatsmedizin

Den Ergebnissen zufolge finanzieren Rentner aktuell nur 45,1 Prozent ihrer eigenen Ausgaben selbst. Dadurch würden 54,9 Prozent über die Nichtrentner und sonstige Finanzierungswege im Umlageverfahren getragen, sagte Drabinski am Montag in Berlin.

Damit ist für ihn klar: Die "Schere der Finanzierungsbelastung" gehe immer weiter auseinander. Die gesetzliche Krankenversicherung sei damit nicht nachhaltig aufgestellt.

"Die heutigen Erwerbenstätigen - also die Rentner von morgen - werden die Verlierer im Generationsvertrag sein", prognostizierte Drabinski. Mit anderen Worten: Es bleibe später kaum noch Netto vom Brutto.

"In Konsequenz wird dies zu Rationierungen und Leistungsausschlüssen für die Rentner von morgen führen", so der Kieler Ökonom. Der ursprüngliche Finanzierungsbeitrag der Rentner von 80 Prozent müsse wieder hergestellt werden.

Zuletzt war dies in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der Fall. Dafür sollten Rentner höhere Beiträge zahlen.

Kassen sehen sich im Wettbewerb

Zudem sollte eine zweckgebundene Vermögenssteuer für Rentner eingeführt werden. Er sieht die GKV auf dem Weg in die Staatsmedizin und Einheitskasse.

Das Bundesgesundheitsministerium wollte das auf Nachfrage nicht kommentieren. Der GKV-Spitzenverband konnte die Argumentation der Studienautoren nicht nachvollziehen.

"Angesichts von 145 gesetzlichen Krankenkassen ist ein Trend zur Einheitskasse definitiv nicht zu erkennen", sagte eine Sprecherin des Verbandes der "Ärzte Zeitung".

Entscheidend sei, dass die Versicherten eine echte Wahlmöglichkeit hätten - unabhängig von der Anzahl der Kassen.

Für die privaten Krankenversicherung zeichnet die Studie ein ähnlich düsteres Bild, auch hier ist die Mängelliste lang: "Mehr als 80 Prozent der Tarifsysteme der PKV leisten weniger als die gesetzliche Krankenversicherung", sagte PremiumCircle-Chef Claus-Dieter Gorr.

Spahn: Über die Probleme der PKV nicht hinwegsehen

Dabei gehe es um Angebote, die in der gesetzlichen Krankenversicherung fest verankert seien, wie etwa die häusliche Krankenpflege. Für die Privatversicherten sei kaum nachvollziehbar, welche Leistungen mit ihrer Police abgedeckt würden und welche nicht, so Gorr.

Besonders problematisch: Viele Versicherungen übernähmen nur sehr eingeschränkt Anschlussheilbehandlungen, Psychotherapien oder wichtige medizinische Hilfsmittel. Die Ökonomen forderten grundlegende Reformen für GKV und PKV.

Das Bundesgesundheitsministerium reagierte gelassen auf das Studienergebnis: "Wir setzen darauf, dass die private Krankenversicherung die Probleme selbst regeln kann", sagte ein Sprecher der "Ärzte Zeitung".

Anders der CDU-Politiker Jens Spahn: "Wir können nicht weiter über die Probleme der PKV hinwegsehen." Die Branche sollte sich auf einen Mindestversicherungsschutz einigen, erklärte Spahn.

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