Heftige Kontroverse: Wann ist ein Mensch tot?

Organspende bleibt ein heikles Thema. Dass der Hirntod das endgültige Ende des Lebens ist, wird von Angehörigen nicht als selbstverständlich akzeptiert.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Die Diagnose Hirntod ist Voraussetzung für eine Organentnahme. Doch das sehen nicht alle Ärzte so.

Die Diagnose Hirntod ist Voraussetzung für eine Organentnahme. Doch das sehen nicht alle Ärzte so.

© Andrea Danti / fotolia.com

HANNOVER. Wann ist der Mensch tot? Was macht ihn zum Menschen - das Hirn? Im Vorfeld der Bundestagsentscheidung zur Organspende diskutierte das Podium bei der Talkshow "Tacheles" der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) in der Hannoveraner Marktkirche die Organspende.

Renate Greinert von der Initiative Kritische Aufklärung Organspende (KAO) verlor ihren 15-jährigen Sohn Christian durch einen Unfall. Hirntot lag der Teenager in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Was dann folgte, war ein trauriges Beispiel misslungener Kommunikation. "Ihr Sohn war doch ein sozialer Typ, haben die Ärzte mir gesagt, jetzt sitzen andere Mütter an den Betten ihrer Kinder und warten auf ein rettendes Organ", so Greinert auf dem Podium.

"Wann ist ein Mensch tot?"

Sie reagierte auf solchen Druck, willigte in die Organentnahme ein und bereute es später sehr. Der Eindruck des operierten Leichnams ihres Sohnes lässt sie heute zu dem Schluss kommen: Organentnahme bedeutet, dass Sterbende "in aggressiver Weise zerteilt" werden.

Die Frage des Moderators, Pfarrer Jan Dieckmann, "Wann ist ein Mensch tot" wurde kontrovers diskutiert. Für BÄK-Chef Frank-Ulrich Montgomery ist ein Mensch dann tot, wenn zwei Ärzte im Abstand von 24 Stunden unabhängig voneinander fest gestellt haben, dass ein Mensch keine Hirnaktivität mehr hat.

"Die Hirnleistung macht uns zu Menschen. Hirntoten ist die Rückkehr ins Leben nicht mehr möglich!", so Montgomery. Dr. Paolo Bavastro, Internist aus Stuttgart, widersprach. Die Vorstellung, dass nur die Hirnaktivität den Menschen zum Menschen mache und der Tod des Hirns auch den Tod des Menschen bedeute, sei überholt, so Bavastro.

Hirntod ist umstritten

"Sterben ist ein Prozess. Und er ist erst dann abgeschlossen, wenn alle Organe sich desintegriert haben."

Einig war sich das Podium, dass vor einer Organentnahme ausführlich informiert werden muss. "Bei jeder Katheter-Untersuchung muss der Patient viele Seiten lesen und unterschreiben", so Bavastro gegen die Haltung Montgomerys. "In der Aufklärung über den Hirntod müsste auch stehen, wie umstritten er ist."

Der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber, Befürworter der Organspende, betonte, dass es Angehörigen möglich sein muss, sich würdig zu verabschieden.

Aber es blieb offen, wie die Sterbebegleitung und Verabschiedung bis zur Organentnahme aussehen könnte.

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