"Es geht darum, dass man nicht alleine ist"

So schützen sich Pfleger und Schwestern vor Angriffen

Eine Krankenschwester ist allein mit einem Patienten und wird bedroht. Sie zieht an einer Schnur – und schon kommen Kollegen zur Hilfe: Ein Echtzeit-Lokalisierungssystem mit Alarmfunktion ist im Saarland im Einsatz. Ein Besuch vor Ort.

Von Michael Kuderna Veröffentlicht:
Pager für die Sicherheit: Stationsleiter Thomas Tech von der SHG-Klinik ist vom Konzept überzeugt.

Pager für die Sicherheit: Stationsleiter Thomas Tech von der SHG-Klinik ist vom Konzept überzeugt.

© SHG/Harald Kiefer

VÖLKLINGEN. Auch in Krankenhäusern ist das Gewaltpotenzial über die Jahre gestiegen, vor allem Mitarbeiter von Notaufnahmen berichten immer wieder von bedrohlichen Situationen in den Randzeiten. Die SHG-Kliniken in Völklingen haben die Situation durch ein einfaches Alarm-System entschärft.

"Es ist schon ein zusätzliches Sicherheitsgefühl", fasst Uwe Peter Müller, Leiter des Pflegeteams in der zentralen Patientenaufnahme die bisherigen Erfahrungen zusammen. Vor gut zwei Jahren fiel die Entscheidung, die Sicherheit von besonders exponierten Mitarbeitern mit Hilfe eines WLAN-gestützten Echtzeit-Ortungssystems zu erhöhen.

Ein Pager an der Wand

Konkret sieht dies in der 400-Betten-Klinik in der saarländischen Industriestadt Völklingen so aus: Die Schwestern, Pfleger oder Rezeptionisten holen zu Beginn ihres Nachtdienstes einen Pager aus einer an der Wand angebrachten Ladestation und hängen sich das kleine Gerät um den Hals. Kommt es zu einer brenzligen Situation, muss der Betroffene nur einmal kurz an der Leine ziehen.

Keine Sekunde später erscheint bei den anderen mit dem Gerät ausgestatteten Mitarbeitern eine Textnachricht mit der metergenauen Ortsangabe. Diese können sofort zu Hilfe kommen und gegebenenfalls auf dem Weg per Funk weitere Unterstützung anfordern. Außerdem übermittelt der Empfänger durch Ziehen an seinem Gerät die beruhigende Rückmeldung, dass Hilfe unterwegs ist.

"Es geht darum, dass man nicht alleine ist", unterstreicht Müller. Die Alarmierung durch einen Zug sei deutlich schneller und einfacher als das Greifen nach einem Telefon oder Funkgerät, zudem bestehe keine Gefahr des Vertippens.

Dabei befinden sich die Mitarbeiter des aus mehreren miteinander verbundenen Häusern bestehenden Klinikkomplexes mit Blick auf Sicherheitsaspekte generell in einer eher komfortablen Situation. Die Saarland Heilstätten GmbH als Träger haben an kritischen Stellen nicht nur zusätzliche Türen und Sprechanlagen eingebaut. Auf allen Stationen sind nachts mindestens zwei Schwestern oder Pfleger im Einsatz, erklärt Pflegedirektorin Monika Klein.

Mitarbeiter haben besseres Sicherheitsgefühl

Schwachpunkte waren allerdings die zumindest nachts nur mit einer Person besetzte Aufnahme und die Rezeption. Dort sei es früher durchaus zu Situationen gekommen, in denen sich Mitarbeiter bedroht gefühlt hätten, berichten Klein und Müller. Dies gelte vor allem für alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Patienten sowie Menschen, die manchmal mit mehr als einem Dutzend Begleitpersonen erschienen und das Personal bedrängten.

"Wir haben seit Einführung des Alarmierungssystems durchweg nur positive Erfahrungen gemacht, weil die Mitarbeiter ein besseres Sicherheitsgefühl haben", bilanziert die Pflegedirektorin.

Die Technologie kommt vom US-Software-Unternehmen Ekahau und wurde in Völklingen von dem Bielefelder Netzwerkspezialisten Avanis GmbH implementiert. Da GPS in mehrstöckigen Gebäuden an seine Grenzen stößt, setzt man ganz auf WLAN.

Diese positive Wahrnehmung deckt sich mit etlichen anderen Kliniken weltweit, die schon länger auf WLAN-gestützte Notrufsysteme zurückgreifen. Vor allem psychiatrische Abteilungen wie beispielsweise an der Uniklinik in Innsbruck setzen die Ortungstechnologie ein und nutzen sie oft für zusätzliche, weit darüber hinaus gehende Aufgaben wie Überwachung von technischen Geräten oder Prozessoptimierungen.

Beschäftigte im Boot

Wie viele technische Innovationen könnte das Lokalisierungssystem auch im Sicherheitsbereich mancherorts zur Personalreduzierung genutzt werden. Schon vor sechs Jahren wurde bei der Hannover Messe eine Musterrechnung präsentiert: Ersetzt man dank Ortungs- und Alarmfunktion auch nur eine Wachperson, ergebe sich schon im ersten Jahr eine Ersparnis im fünfstelligen Bereich.

In Völklingen setzt man dagegen nicht auf Einspareffekte, sondern "nur" auf zusätzliche Sicherheit – sicher auch ein Grund, warum die Mitarbeiter gerne mitgezogen haben.

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