Zi-Auswertung

Versorgung psychisch kranker Kinder ist ein Flickenteppich

Der Trend bei den psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen ist stabil. Eine einheitliche Versorgungslandschaft besteht in Deutschland aber nach wie vor nicht.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Bei ADHS ist die Diagnoseprävalenz seit 2009 leicht von 4,1 auf 4,3 Prozent gestiegen.

Bei ADHS ist die Diagnoseprävalenz seit 2009 leicht von 4,1 auf 4,3 Prozent gestiegen.

© Julian Stratenschulte / picture alliance

BERLIN. Psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen haben in den vergangenen zehn Jahren an Bedeutung gewonnen bei der ärztlichen Versorgung.

Nach Abrechnungsdaten, die das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) auswertete und am Dienstag bei einer Veranstaltung in Berlin vorstellte, wurde im vergangenen Jahr bei minderjährigen Patienten insgesamt 14,5 Millionen Mal eine F-Diagnose gestellt. Etwa 40 Prozent entfielen davon auf Entwicklungsstörungen.

Nach der Auswertung der Abrechnungsdaten aus der vertragsärztlichen Versorgung der Jahre 2009 bis 2017 erhält jedes vierte Kind oder Jugendliche (3,2 Millionen) mindestens in einem Quartal eine F-Diagnose. Jeder Sechste bekommt in zwei Quartalen eine solche Diagnose gestellt. Insgesamt, sagte Dr. Annika Steffen vom ZI, sei bei der Diagnoseprävalenz seit 2014 eine Stabilisierung eingetreten.

Bei ADHS geht der Trend leicht nach oben, die Diagnoseprävalenz lag 2016 bei 4,3 Prozent, 2009 waren es im Schnitt noch 4,1 Prozent. Die Unterschiede zwischen den Regionen sind nach wie vor aber sehr hoch, die Prävalenzen variieren hier zwischen 1,6 und fast zehn Prozent.

Besonders im Würzburger Raum gibt es einen ADHS-Cluster, berichtete Dr. Manas Akmatov vom ZI. Ebenso hat sich in Ost-Niedersachsen ein Schwerpunkt herausgebildet. Überdiagnosen bestehen dort, wo viele Kinder- und Jugendpsychiater niedergelassen sind, sagte Akmatov.

Junge Patienten künftig an Fachärzte weiterleiten

Nach einer weiteren Studie, die Ann-Katrin Meyrose vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, vorstellte, leiden etwa 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter psychischen Auffälligkeiten.

Zwei Drittel „sind in der Fachversorgung angekommen“, sagte Meyrose. Vom übrigen Drittel würden aber immerhin rund 87 Prozent von Allgemein- sowie Kinder- und Jugendärzten behandelt.

Meyrose betonte, dass das Augenmerk künftig darauf gerichtet werden müsse, die jungen Patienten an Fachärzte weiter zu leiten. Das würde Pädiater und Hausärzte entlasten.

Die BELLA-Studie (BEfragung zum seeLischen WohLbefinden und VerhAlten), eine ergänzende Untersuchung zur KIGGS-Studie, ergab zudem, dass Eltern, die selber belastet oder psychisch auffällig sind, ihre Kinder häufiger zum Arzt schicken, als Eltern ohne solche Probleme.

Gibt es in der Familie einen großen Zusammenhalt, vor allem unter den Erwachsenen, landen die auffälligen Kinder weniger häufig in der Versorgung.

Ein Grund dafür, warum keine ärztliche Versorgung für den eigenen Nachwuchs in Anspruch genommen wird – gerade in Bevölkerungsteilen mit niedrigem sozialen Status sowie auch in Ostdeutschland – ist vor allem Angst vor Stigmatisierung.

In den neuen Ländern bremsen nach Angaben von Meyrose aber auch lange Wartezeiten die Behandlung der Kinder und Jugendlichen.

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