Demenz

Fortschritte bei der schwierigen Alzheimer-Forschung

Einen Durchbruch in der Therapie von Patienten mit Demenz und Alzheimer können Forscher bislang nicht liefern. Aber: Es tut sich was. Allerdings bräuchte es mehr Fördermittel.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Bei der Betreuung von Demenzkranken sollte laut Experten verstärkt auf die Kompetenz von Ergotherapeuten gesetzt werden.

Bei der Betreuung von Demenzkranken sollte laut Experten verstärkt auf die Kompetenz von Ergotherapeuten gesetzt werden.

© SilviaJansen / Getty Images

BERLIN. Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages haben Vertreter der Deutschen Hirnliga und der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und Gerontopsychologie auf die Bedeutung einer möglichst frühen Diagnose von Demenz und Alzheimer hingewiesen. Nach wie vor ist ein pharmakotherapeutischer Durchbruch bei der Behandlung nicht in Sicht, mit vorhandenen Therapien kann der Krankheitsverlauf aber signifikant verlangsamt werden.

Vielversprechende Ansätze, so Professor Isabella Heuser (Charité) von der Deutschen Hirnliga, gebe es in der präklinischen Forschung. An Mäusen beispielsweise sei Demenz inzwischen behandelbar. Alle Versuche, diese neuen Erkenntnisse in die klinische Forschung und in die Anwendung beim Menschen zu transferieren, seien aber bislang enttäuschend verlaufen.

Dies erkläre sich auch zum Teil aus den notwendigen langen Beobachtungszeiträumen von zwei bis vier Jahren, um Effekte nachweisen zu können. Heuser forderte eine verstärkte finanzielle Unterstützung des Bundesforschungsministeriums und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die klinische Forschung.

Große Chance: Früherkennung

Als Probanden für die klinische Forschung kommen nach Heusers Angaben vor allem solche Menschen in Betracht, die subjektiv Gedächtnisstörungen empfinden, ohne dass bei ihnen schon eine Demenz diagnostiziert worden ist. Wenn bei ihnen andere psychische Krankheiten wie etwa Depression oder Schlafstörungen ausgeschlossen werden können, besteht die Möglichkeit, nach einem Biomarker-Test, der über früheste Krankheitsanzeichen Auskunft gibt, an klinischen Studien teilzunehmen. In Berlin habe man mit Hausärzten eine sehr gute Struktur aufgebaut, um diese Probanden in einem sehr frühen Krankheitsstadium zu identifizieren.

Der Gerontopsychiater Professor Michael Rapp wertet es als erfreulich, dass Demenz und Alzheimer in den vergangenen zehn Jahren aufgrund der Betroffenheit mancher Prominenter mehr Aufmerksamkeit erfährt und die Kenntnisse sich verbessern. Aufgrund der Leuchtturmprojekte etwa des Bundesgesundheitsministeriums seien evidenzbasierte Erkenntnisse für eine bessere Versorgung entstanden.

Eine herausragende Rolle, um Einfluss auf die Entwicklung der Krankheit zu nehmen, spiele eine möglichst frühe Diagnostik. Bei insgesamt etwa 50 Prozent der Demenz-Patienten sei der Krankheitsverlauf beeinflussbar, eine Verzögerung von bis zu 1,5 Jahren sei möglich, dabei könne auch die Lebensqualität gesichert werden. Immerhin 850.000 Patienten könnten davon profitieren.

Positiv bewertet Rapp auch die jüngsten Reformen der Pflegegesetzgebung und die Berücksichtigung psychischer Erkrankungen. Inzwischen erhalten 40 Prozent der Angehörigen von Demenzkranken eine standardisierte Beratung. Damit könne eine Heimeinweisung um sechs Monate verzögert werden. Von rund 1,7 Millionen Patienten werden etwa 700.000 in Heimen versorgt, eine Million von den Angehörigen zu Hause betreut.

Nach wie vor sei aber die Versorgung in Heimen durch einen hohen Einsatz von Psychopharmaka insbesondere mit dem Ziel der Sedierung geprägt. Rapp will dies den Heimen nicht zum Vorwurf machen. Bessere Alternativen laufen nach seinen Angaben nur in Modellprojekten und erfordern allesamt hohen Personaleinsatz, der vor dem Hintergrund fehlender Fachkräfte schwer zu realisieren ist. Derzeit sind 50 bis 70 Prozent der in Heimen betreuten Menschen demenzkrank, vor etwa 15 Jahren waren es noch 20 bis 30 Prozent.

Risiko: Generalistische Ausbildung

Rapp fordert insbesondere eine intensivere psychotherapeutische Betreuung von demenzkranken Patienten und die Nutzung der Kompetenz von Ergotherapeuten. Eine weitere Option sei es, Angehörige als ehrenamtliche Kräfte in die Betreuung von Heimpatienten einzubeziehen und damit den Pflegekräften mehr Luft zu verschaffen. Ferner dürfe im Rahmen der geplanten generalistischen Ausbildung der Pflegeberufe das Wissen um Demenz und Alzheimer nicht verloren gehen. Diese Gefahr bestehe durchaus, so Rapp.

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