Medizinstudenten

Keine Angst, verkrustete Strukturen aufzubrechen

Sie "brennen für den Job des Arztes" - ökonomische Zwänge können sie nicht davon abhalten. Medizinstudenten und PJ'ler diskutierten jetzt bei der Manfred-Lautenschläger-Stiftung im nordbadischen Wiesloch über ihre Zukunft. Die angehenden Ärzte sind optimistisch, wenngleich nicht kritiklos.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

WIESLOCH. Es reicht nicht aus, als Arzt gute Medizin anzubieten: Das lernen Medizinstudenten spätestens in ihrem ersten Praktischen Jahr (PJ) an der Klinik.

"Neben der medizinischen Kompetenz ist ökonomischer Sachverstand gefragt", bringt es Christian, ein PJ'ler aus der Berliner Charité auf den Punkt.

Ein Studienkollege aus Süddeutschland ergänzt: "Dein Oberarzt macht Dir bereits in den ersten Tagen ganz schnell klar, dass es nicht nur um Deine geniale Diagnostik und Therapie geht!"

Rund 25 angehende Mediziner sitzen beim Workshop der Manfred Lautenschläger-Stiftung zusammen, die auch in diesem Jahr 120 herausragende Human- und Zahnmedizinstudenten in ihr Medical-Excellence-Netzwerk aufgenommen hat und sie mit Know-how und Kontakten unterstützen möchte. Darüber hinaus werden 19 Stipendiaten auch finanziell gefördert.

Der Patient kommt zuerst - aber es geht auch ums Geld

"Ein Arzt muss Briefe schreiben können, kommunikativ sein, Qualitätsmanagement anwenden, für die Klinik Geld sparen und trotzdem den Patienten an die erste Stelle setzen", rundet Andreas die Überlegungen ab. Der PJ'ler aus Mainz will Pathologe werden.

Ein Arzt von heute habe nicht nur eine medizinische Verantwortung, sondern ebenfalls eine soziale und wirtschaftliche, informiert in diesem Zusammenhang Workshop-Leiter Dr. Nikos Stergiou.

Der Chefarzt und Ärztliche Direktor der Asklepios Klinik Seligenstadt bestätigt die angehenden Ärzte darin, an ihrer Begeisterung für den Beruf des Mediziners festzuhalten.

Man ist sich in der studentischen Runde einig: Das Studium bereite die Ärzte von morgen bedauerlicherweise nicht auf die ökonomischen Anforderungen im Job vor.

Hier müsse nachgebessert werden. "Wir werden in unserer Ausbildung ein bisschen weltfremd erzogen", bringt es Eva aus Hamburg auf den Punkt.

Die jungen Ärzte wollen Verantwortung übernehmen

Verantwortung zu übernehmen, selbst die Initiative zu ergreifen und verkrustete Strukturen beispielsweise im Klinikbetrieb aufzubrechen - davor haben die angehenden Mediziner offensichtlich keine Angst.

"Die Kommunikation in solch einem Klinikbetrieb sollte besser werden. Die Disziplinen müssen mehr zusammenarbeiten. Medizin und Verwaltung sollten stärker kooperieren und sich als Team verstehen", fasst Rachel ihre Vorstellung zusammen.

Ideal aus ihrer Sicht: "Mit Gesundheit sollte man keine Gewinne machen", so die Medizinstudentin aus Witten-Herdecke.

Eine andere Studentin schränkt solche Überlegungen jedoch ein. "Meine Praxis muss später Gewinn bringen, damit ich meine Familie ernähren und meine Praxis über viele Jahre aufrechterhalten kann", argumentiert sie.

Sechs Ärzte als MdB - das ist zu wenig

Ihr Workshop-Kollege Marc geht noch weiter. Ärzte dürften sich weder von der Politik noch von privaten Investoren das Zepter aus der Hand nehmen lassen.

Mediziner sollten die wirtschaftliche Verantwortung für Einrichtungen wie zum Beispiel Medizinische Versorgungszentren nicht abgeben, warnt er.

Ärzte sollten sich zudem stärker in die Politik einschalten. Sechs Mediziner als Bundestagsabgeordnete in Berlin seien eindeutig zu wenig, um Einfluss zu nehmen.

"Wir starten zu einer guten Zeit. Der viel diskutierte Ärztemangel wird uns helfen, dass man uns zuhört", kommentiert dazu ein anderer Workshop-Teilnehmer trocken die Lage.

Mediziner, Manager, Seelsorger und Ethikexperte - all dies müsse der Arzt von heute sein, fasst Workshop-Leiter Dr. Nikos Stergiou abschließend zusammen.

Zumindest hier - im Kreise des Medical-Excellence-Netzwerkes der Manfred Lautenschläger-Stiftung- scheinen sich alle auf diese Herausforderung zu freuen.

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