Frühe Nutzenbewertung

Arztinformationssystem-Entwurf enthält wichtige Botschaft für Ärzte

Das elektronische Arztinformationssystem zur frühen Nutzenbewertung soll in einer schlanken Version nur den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses abbilden. So sieht es die Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums vor.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die Nutzenbewertung des GBA soll künftig bei der ärztlichen Entscheidung eine größere Rolle spielen.

Die Nutzenbewertung des GBA soll künftig bei der ärztlichen Entscheidung eine größere Rolle spielen.

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Das Bundesgesundheitsministerium hat sich 17 Monate Zeit gelassen, um in fünf Paragrafen die Mindestanforderungen für ein elektronisches Arztinformationssystem zu definieren. Es soll künftig in die Praxissoftware der Ärzte integriert werden und diesen die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur frühen Nutzenbewertung vermitteln.

Der Hintergrund: Als Nebeneffekt des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) von 2010, mit dem die Grundlage für eine am Zusatznutzen orientierte Preisbildung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen geschaffen wurde, erhoffte sich der Gesetzgeber auch eine Orientierung der Vertragsärzte an den Nutzenbewertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Tatsächlich zeigte sich, dass das vom Bundesausschuss zuerkannte Ausmaß des Zusatznutzens das Verordnungsverhalten der Ärzte wenig beeinflusste. Medikamente mit hohem Zusatznutzen erreichten nur eine geringe Marktdurchdringung, solche mit geringem oder nicht belegtem Zusatznutzen wurden wider Erwarten häufig verordnet. Als eine mögliche Ursache wurde vermutet, dass vielen Ärzten die Nutzenbewertungsbeschlüsse des GBA unbekannt sind oder wenig genutzt werden, weil sie schwer lesbar sind.

Sommerpause und Wahlkampf waren wichtiger

Das sollte sich mit dem im Mai 2017 vom Bundestag beschlossenen Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz ändern: In Paragraf 73 Absatz 9 SGB V wurde die Rechtsgrundlage für die Integration der Nutzenbewertungsbeschlüsse in den Praxisverwaltungsprogrammen der Vertragsärzte geschaffen. Die Mindestanforderungen dazu sollte das Bundesgesundheitsministerium in einer Rechtsverordnung definieren.

In der ausgehenden 18. Legislaturperiode blieb offenbar keine Zeit mehr, einen Referentenentwurf kabinetts- und damit beschlussreif zu machen – Stichwort: parlamentarische Sommerpause und Wahlkampf. Nach der Bundestagswahl dauerte die Koalitions- und Regierungsbildung bis zum Frühjahr 2018, und eine geschäftsführende Bundesregierung wollte offenbar keine vollendeten Tatsachen schaffen.

Aber immerhin: Seit gut sieben Monaten ist Jens Spahn (CDU) als Bundesgesundheitsminister im Amt – und solange hat es gedauert, bis das dürre Paragrafenwerk klammheimlich auf der Webseite des Ministeriums stand. Ein deutliches Indiz dafür, dass die Arzneimittelversorgung gegenwärtig gewiss nicht ganz oben auf der gesundheitspolitischen Prioritätenliste steht.

Gleichwohl hat das Ministerium eine politische Grundsatzentscheidung getroffen, wie aus der Begründung hervorgeht: "Die Verordnung beschränkt sich bewusst auf das Ziel der Abbildung der Beschlüsse des GBA ... und auf die Festlegung von Mindestanforderungen an elektronische Programme, die diesem Zweck dienen." Und: "Ärztinnen und Ärzte entbindet das nicht von der Pflicht, sich umfassend über die von ihnen verordneten Arzneimittel zu informieren. Ihnen wird ... jedoch geholfen, die für die jeweilige Therapiesituation geeignete Arzneimittelauswahl zu treffen."

Nur eine von mehreren Erkenntnisquellen

Für Ärzte ist das eine wichtige Botschaft. Denn es wird politisch anerkannt, dass die Nutzenbewertung des Bundesausschusses nur eine unter mehreren Erkenntnisquellen für die Verordnungsentscheidungen der Ärzte ist. Die gestraffte Zusammenfassung der GBA-Beschlüsse und der dafür tragenden Gründe – für letztere billigt das Ministerium 3000 Zeichen, das ist eine knappe DIN A 4-Seite, zu – soll dabei eine Hilfestellung sein.

Das kann man so interpretieren, dass das Ministerium bewusst darauf verzichtet hat, aus dem Arzneimittel-Informationssystem ein System zur Verordnungssteuerung zu machen, wie dies von der KBV, aber auch von den Arzneimittelherstellern befürchtet worden war.

Insofern mutet die Kritik in ersten Stellungnahmen der Pharmaverbände vfa und BPI etwas merkwürdig an, das elektronische Arzneimittelinformationssystem stehe nur "auf einem Bein", nämlich der frühen Nutzenbewertung. Ausdrücklich lässt der Verordnungsentwurf die Implementierung weiterer mit der Bewertung des Arzneimittels in Zusammenhang stehenden Informationen und Funktionalitäten zu. Das könnten beispielsweise Hinweise oder Links zu Leitlinien der Fachgesellschaften sein.

Ob der Bundesausschuss diese Option nutzt, hängt nicht zuletzt auch von seinen Arbeitskapazitäten ab, aber natürlich auch von dem Risiko, bei einem Anspruch auf umfassende Information tatsächlich nicht alles zu berücksichtigen, was Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist. Darum kann die Entscheidung des Ministeriums für eine schmalspurige Lösung auch weise Bescheidenheit sein.

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