Healthcare

Afrika beflügelt Absatzphantasien

Der Schwarze Kontinent bietet noch viel Potenzial für deutsche Anbieter von Arzneimitteln und Medizintechnik. Trotz allem bleibt Afrika aber auf lange Frist noch ein bis dato für Gesundheitsunternehmen nur schwer zugänglicher Nischenmarkt

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NEU-ISENBURG. Auf dem afrikanischen Kontinent bieten sich deutschen Medizintechnik- und Arzneimittelherstellern immer mehr Absatzchancen.

Wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) berichtet, habe sich die deutsche Marktposition bei Medizintechnik und Pharmazeutika in Afrika 2012 insgesamt deutlich verbessert. In beiden Marktsegmenten seien auch südlich der Sahara zweistellige Wachstumsraten erzielt worden.

Eine wachsende Mittelschicht könne sich zunehmend medizinische Behandlungen leisten. Kostenintensive Zivilisationskrankheiten seien auf dem Vormarsch. Ein wichtiger Markt sei auch der staatliche Gesundheitssektor, wie gtai die Rahmenbedingungen in Afrika umreißt.

Bei der Ausstattung von Krankenhäusern und Gesundheitsstationen bestehe ein gewaltiger Nachholbedarf, ebenso wie beim Gesundheitsmanagement sowie der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal. Allerdings warnt die Außenhandelsagentur vor allzu großer Euphorie: Der afrikanische Kontinent bleibe vorerst für die Hersteller von Arzneimitteln und Medizintechnik nur ein Nischenmarkt.

Pharma- und MedTech-Markt wächst mit mehr als zehn Prozent jährlich

Große internationale Konzerne ebenso wie indische Generika-Produzenten planten jedoch langfristig und bauten ihre Repräsentanzen aus. Das Marktvolumen für medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse wird 2016 laut gtai beachtliche 30 Milliarden US-Dollar (rund 22,2 Milliarden Euro) erreichen, bis 2020 könne mit einer weiteren rasanten Steigerung auf 45 Milliarden US-Dollar gerechnet werden.

Für diese Prognosen stützen sich gtai-Experten auf eine Studie des amerikanischen Marktforschungsunternehmens IMS Health. Die Verkäufe stiegen demnach mit einer kumulierten jährlichen Wachstumsrate von 10,6 Prozent.

Die Nachfrage nach Arzneimitteln in Subsahara-Afrika werde sich analog zu dem dynamischen Wirtschaftswachstum in diesen Ländern entwickeln. Die afrikanische Mittelklasse sei rapide auf dem Vormarsch und dürfte derzeit ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Die urbane Bevölkerung Afrikas werde, so Prognosen, diejenige von China und Indien bis 2050 übertroffen haben. Etwa 20 bis 30 Prozent der Nachfrage nach Arzneimitteln in Afrika sollen 2016 von den zehn größten Städten auf dem Kontinent kommen, prognostiziere IMS Health.

Private Kliniken profitieren von wachsender Prosperität

Neben den steigenden Investitionen im öffentlichen Gesundheitssektor werden laut gtai vor allem Zuwächse im Bereich privater Kliniken erwartet. Die Mittelklasse könne sich inzwischen eine halbwegs vernünftige medizinische Behandlung leisten und werde entsprechend umworben.

Auch kämpfe sie mittlerweile gegen die gleichen Krankheiten, die auch europäischen Bürgern zu schaffen machen: Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, Diabetes und Krebs. Die Folgen seien die gleichen wie in Europa: All diese Krankheiten haben gemein, dass ihre Behandlung viel Geld kostet und medizinische Apparate und Geräte in hohem Maße zum Einsatz kommen.

Mehrere Länder wollen daher, so die Außenhandelsagentur, eine staatliche Krankenversicherung einführen. Auch dies sei verbunden mit einer verbesserten Absicherung von medizinischen Leistungen und in der Folge höheren Investitionen.

Chancen böten nicht nur technische Lieferungen, sondern auch auf den Markt zugeschnittene Dienstleistungen. Neben Planung, Bau und Ausstattung eines Krankenhauses bestehe Nachfrage auch bei dessen Betrieb und der Ausbildung des Personals.

Der Markt aber sei und bleibe wohl noch lange sehr klein. Nur wenige Kliniken und Ärzte könnten sich teure Technik aus Deutschland leisten. Bessere Chancen habe dagegen - hier gibt es parallelen zu Entwicklungsländern auf anderen Kontinenten - China, das mit preiswerterer, gleichzeitig aber immer besser werdender Technik auf den Markt drängt.

Dabei geht das Reich der Mitte laut gtai sehr geplant und strategisch vor und bildet Personal auch in China aus. Das einzige Handicap: Nur sehr wenige chinesische Verkäufer seien in Englisch eloquent, und auch Bedienungsanleitungen ließen diesbezüglich sehr zu wünschen übrig.

Nicht ansteckende Krankheiten rücken in den Fokus

Bei wachsenden Investitionen in das Gesundheitssystem und Bereitstellung entsprechender allgemeiner, aber auch spezialisierter Dienstleistungen verlagere sich das Schwergewicht der Behandlungen von ansteckenden zu nicht ansteckenden Krankheiten.

Infektiöse und parasitäre Krankheiten gingen leicht zurück, HIV/Aids bleibe jedoch eine ernste Herausforderung. In der nächsten Dekade werde die Todesrate infolge von Zivilisationskrankheiten auch in Afrika kräftig ansteigen.

Hierzu referenzieren die gtai-Experten auf die Weltbank. Deren Einschätzung zufolge seien 2008 etwa 28 Prozent der Menschen in Subsahara-Afrika an nicht ansteckenden Krankheiten gestorben, 2030 aber würden es schon 46 Prozent sein.

Für die internationale Pharmaindustrie, die bislang vornehmlich Arzneimittel für ansteckende Krankheiten wie Malaria und HIV/Aids lieferte - oft auch im Rahmen vonkaritativen Programmen - bedeutet dies laut gtai einen Strategiewechsel. Das Marktpotenzial in Afrika zu erkennen, sei derweil die eine Sache, es zu erschließen, eine andere.

Logistisch gut entwickelte Märkte seien Südafrika und die von dort zu betreuenden Länder Botsuana und Namibia, auch Mauritius und Ghana gehörten dazu. Deutsche Firmen seien gut beraten, wenn sie mit etablierten lokalen Interessengruppen strategische Partnerschaften eingingen, um so den Markteinstieg zu bewerkstelligen.

Es seien die lokalen Firmen, die wüssten, wie man mit Bürokratie, Korruption, fehlenden oder fragwürdigen Vorschriften, den Infrastrukturproblemen und der Wartungsproblematik umgehen könne.

Hoher Investitionsbedarf vor allem in Westafrika

In Westafrika besteht nach gtai-Ansicht bei der Ausstattung von qualitativ guten Krankenhäusern noch ein riesiger Nachholbedarf. Zu hohen Investitionen komme es dort vielfach in regionale Zentren, welche einkommensstärkere Patienten bedienen könnten.

Dazu gehörten unter anderem die Clinique Biasa in Togo sowie die Clinique de L'Aéroport in Douala (Kamerun). Große Investitionen, zum Teil in Form von Public Private Partnership-Projekten, seien in Nigeria, Ghana, der Elfenbeinküste und im Senegal geplant.

Nach Erfassung des Statistischen Bundesamtes lieferte Deutschland 2012 für 386 Millionen Euro medizinische Geräte und orthopädische Ausrüstung nach Afrika - ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Davon seien rund 55 Prozent für Subsahara-Afrika bestimmt.

Während die Zuwächse in Nordafrika 2012 um 37 Prozent nach oben geschossen seien, hätten auch die Umsätze in Subsahara-Afrika um beachtliche 16 Prozent gesteigert werden können.

Diese Wachstumsraten sehen besonders gut aus, wenn man sie mit den deutschen Gesamtexporten von medizinischen Geräten und orthopädischen Ausrüstungen vergleicht, die 2012 nur um 8,2 Prozent auf 18,80 Milliarden Euro zulegen konnten, so die gtai-Fachleute.

Die Gesamtzahl zeige jedoch auch die noch geringe absolute Bedeutung von Afrika, dessen Marktanteil 2012 aus deutscher Sicht gerade einmal bei zwei Prozent gelegen habe. Wichtigstes Abnehmerland sei Südafrika mit Ausfuhren in Höhe von 130,5 Millionen Euro gewesen.

Der deutsche Export von pharmazeutischen Erzeugnissen nach Afrika habe 2012 um 20 Prozent auf 544 Millionen Euro zugelegt. Etwa 47 Prozent seien nach Subsahara-Afrika gegangen. (maw)

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