Kommentar – Hamburger Konzept

Pflege-Idee mit Charme

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Noch sind es nur Pläne, mit denen sich eine kleine Gruppe um den Arzt und Ökonomen Professor Konrad Obermann beschäftigt. Was Obermann kürzlich in Hamburg vorstellte, klingt zunächst weit hergeholt: Philippinische Pflegekräfte könnten schon bald dazu beitragen, die Pflegesituation in Deutschland zu entspannen – trotz der enormen Distanz zwischen beiden Ländern.

Ein näherer Blick zeigt, dass die Idee Charme hat. Wichtig ist: Auf den Philippinen würden die nach Deutschland geholten Kräfte nicht fehlen. Rund 200.000 arbeitslose Pflegekräfte soll es dort geben. In Deutschland könnten sie ein Vielfaches dessen verdienen, was in der Heimat gezahlt wird.

Das Konzept sieht zudem vor, dass die Gastarbeiter hier betreut und bei der Integration unterstützt werden. Und: Die Aufenthalte sind von vornherein auf einige Jahre befristet. Arbeitsmigration hat auf den Philippinen Tradition, auch in Deutschland kennt man philippinische Krankenschwestern schon seit den 1970er Jahren.

Es scheint also einiges für die Hamburger Idee zu sprechen. Nur: Den enormen Bedarf in Deutschland werden philippinische Krankenschwestern nicht decken können. Politik und Arbeitgeber müssen weiter daran arbeiten, den Beruf für junge Menschen attraktiver zu machen. Seite 20

Lesen Sie dazu auch: Klinikpflege: Kräfte aus Manila sollen es richten

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Mehr Geld für die Hamburger Ärzte – aber wenig Optimismus

Kommentare
Kurt-Michael Walter 24.05.201912:11 Uhr

Pflege-Idee auf dem Rücken der "Armen, Kinder und Alten" auf den Philippinen


Ein näherer Blick zeigt, dass die Idee keinen Charme hat.

Zugang zum Gesundheitssystem auf den Philippinen: Wer das nötige Geld hat und in den Großstädten lebt, kann in den Philippinen eine exzellente Gesundheits-versorgung genießen.

"Der Zugang zu Gesundheit ist in starkem Maße vom Einkommen bestimmt. Die Kindersterblichkeit ist nach Angaben von Save the Children schon bei den 60% am unteren Ende der Einkommensskala mit 66 pro 100,000 Lebendgeburten dreimal so hoch wie unter den oberen 40%. Reiche werden im Durchschnitt 20 Jahre älter als Arme. Arme sterben viel häufiger an Krankheiten, die durch mangelnde Hygiene verursacht werden. Wer arm ist und auf dem Land lebt, ist noch schlechter dran".

Das Recht auf Gesundheit lässt sich für die Mehrheit der philippinischen Bevölkerung nicht verwirklichen. Die Gesundheitsversorgung für große Teile der philippinischen Bevölkerung muss als katastrophal darstellt werden.

Die Zahl der Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger in den Philippinen nimmt seit langem kontinuierlich ab. Öffentliche Krankenhäuser und Gesundheitsstationen sind gerade deshalb mit zu wenig Personal ausgestattet.

Zudem praktizieren zwei Drittel des medizinischen Fachpersonals in den reichen und städtischen Teilen des Landes, weil sie dort ein höheres Einkommen erzielen können.

Fazit: "Rund 200.000 arbeitslose Pflegekräfte soll es dort geben" ist eine Fake News! Abwerbung und Auswanderung führt nicht zu einer Verbesserung, sondern droht, die Gesundheitssituation auf den Philippinen weiter zu verschlechtern und schon deshalb spricht für die Hamburger-Idee überhaupt nichts.

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