DGIM-Kongress 2018

Festlicher Abend im Zeichen der Vielfalt geriatrischer Medizin

Die Geriatrie im Fokus des Internistenkongresses 2018 – auch bei der festlichen DGIM-Abendveranstaltung gab es ungewöhnliche Perspektiven und Einsichten.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Beeindruckte nicht nur mit Bach am Klavier, sondern auch mit differenzierten Analysen über das Leistungspotenzial von Menschen im hohen Alter: Professor Andreas Kruse.

Beeindruckte nicht nur mit Bach am Klavier, sondern auch mit differenzierten Analysen über das Leistungspotenzial von Menschen im hohen Alter: Professor Andreas Kruse.

© Sebastian Dunkel

Er ist Gerontologe, Psychologe, demographischer Forscher, Bach-Experte und ein begnadeter Pianist: Professor Andreas Kruse aus Heidelberg setzte bei der festlichen Abendveranstaltung zum Internistenkongress am Sonntag ein ganz besonderes Highlight. Thema seines Vortrags: "Verletzlichkeit und Reife im hohen Alter – eine Reflexion in Wort und Musik".

Kruse führte die Gäste auf die Spuren des Komponisten Johann Sebastian Bach – als positives Beispiel für einen beeindruckenden Umgang mit dem Alter.

Bach, erfuhren die Zuhörer, war in seinen letzten Lebensjahren schwer krank, aber zugleich auch extrem produktiv und kreativ – ein für die Psychologie des Alters wichtiges Phänomen, erläuterte Kruse.

Der Kirchenmusiker litt unter anderem an Altersdiabetes, hatte starke Schmerzen und verlor nach und nach sein Augenlicht. Doch er habe trotz seiner starken körperlichen Verletzlichkeit eine unglaubliche seelisch-geistige Stärke und eine hohe musikalische Kreativität entwickelt, erklärte Kruse.

In den beiden letzten Lebensjahren vollendete Bach zum Beispiel die h-Moll-Messe und die "Kunst der Fuge". Der Referent sorgte für eine atemberaubende Stille im Saal, als er zunächst die Dynamik kurzer Klavierstücke aus der Sicht Bachs erläuterte und sie dann am Klavier vortrug. Dafür gab es donnernden Applaus.

Harte demographische Fakten

Kruse ist nicht nur der Musik verpflichtet, sondern kennt sich auch mit harten demographischen Fakten aus. Er verantwortet seit 2003 den Altenbericht des Bundestags und ist Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.

Dass es bei der Geriatrie nicht nur um Emotionen und Empathiefähigkeit, sondern auch um knallharte Versorgungsstrukturen und um Geld geht, das machte auch Kongresspräsident Professor Cornel Sieber deutlich: Aus geriatrischer Sicht sei es dringend notwendig, dass die Vernetzung zwischen den verschiedenen Strukturen, in denen immer mehr betagte bis hochbetagte multimorbide Menschen betreut werden, fließend bleibe, sagte er. Grenzziehungen seien kontraproduktiv.

Sieber: "Segmentierte Angebote und Finanzierungssysteme müssen dafür verhindert und abgebaut werden."

Nicht von ungefähr werde der Gedanke des Kongressthemas "Innere Medizin – Medizin für den ganzen Menschen" mit Cornel Sieber von einem Repräsentanten der Geriatrie in den Mittelpunkt gestellt, sagte BDI-Chef Dr. Hans-Friedrich Spies in seinem Grußwort: In der Geriatrie seien die psychischen und somatischen Probleme der Patienten untrennbar verbunden.

Spies: "Zur Behandlung benötigt man eine ganzheitliche Patientenbetrachtung, die in der modernen Medizin oft zu kurz kommt."

Hoch betagt und geistig topfit: Dafür stand bei der Festveranstaltung Professor Dieter Klaus aus Dresden, der zusammen mit Professor Alfred Gangl und der DGIM-Expertin für Öffentlichkeitsarbeit, Anne-Katrin Döbler, zum neuen Ehrenmitglied der DGIM ernannt wurde.

Locker, humorvoll und präzise formuliert ließ Klaus noch einmal Stationen seines überaus langen Berufslebens passieren. Der Arzt ist 91 Jahre alt.

Ein Höhepunkt der Festveranstaltung, zu der der traditionell anwesende Präsident der Bundesärztekammer Professor Frank Ulrich Montgomery kurzfristig absagen musste, ist die Verleihung renommierter Preise. Den mit 30 000 Euro dotierten Theodor-Frerichs-Preis der DGIM erhielt in diesem Jahr der Nephrologe Dr. Nicola Wilck von der Berliner Charité. Er beschäftigte sich in einer Studie mit der Rolle der Darmflora als Bindeglied zwischen Kochsalzkonsum und Bluthochdruck.

Darmmikrobiom im Fokus

Mit dem mit 10 000 Euro dotierten Präventionspreis wurde der Kieler Internist, Endokrinologe und Diabetologe Professor Dr. Matthias Laudes ausgezeichnet. Das Darmmikrobiom hat großen Einfluss auf die Gesundheit seines Trägers.

In einer aktuellen Studie konnten Laudes und sein Forscherteam zeigen, dass das Vitamin Niacin zunächst die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und in der Folge auch den Zuckerhaushalt des Trägers positiv beeinflusst.

The show must go on! Runólfur Pálsson, isländischer Arzt und Präsident der europäischen Internisten, wies die Gäste darauf hin, dass in diesem Jahr in Deutschland ein weiterer Tagungshöhepunkt bevorsteht: Der 17. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Innere Medizin (European Foundation for Internal Medicine) findet vom 30. August bis 1. September 2018 im neu eröffneten Rhein-Main Congress-Center in Wiesbaden statt – eine Plattform für die fachübergreifende Zusammenarbeit europäischer Internisten. Kongresspräsidentin wird Professor Petra-Maria Schumm-Draeger aus München sein, die auch den DGIM-Kongress 2017 geleitet hat.

Die Wiesbadener müssen sich sputen: Eine defekte Sprenkleranlage hat ausgerechnet am vergangenen Wochenende weite Teile des neuen Kongressgebäudes überschwemmt.

Ist das ein schlechtes Vorzeichen für den Internistenkongress, der ab 2019 wieder in die hessische Landeshauptstadt zurückkehrt und den die Stadt Mannheim doch so gerne behalten hätte? Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

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