Langzeitstudie

Bei Migräne sind Herz und Hirn in Gefahr

Junge Migräne-Patientinnen sind offenbar besonders gefährdet für Schlaganfall, Herzinfarkt und plötzlichen Herztod. Das zeigt eine Studie mit über 115.000 Teilnehmerinnen.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Frauen mit Migräne haben ein höheres Risiko auf Erkrankungen des Herzens und Kreislaufs.

Frauen mit Migräne haben ein höheres Risiko auf Erkrankungen des Herzens und Kreislaufs.

© lassedesignen / fotolia.com

BERLIN. Der Zusammenhang zwischen Migräne, vor allem Migräne mit Aura, und Schlaganfällen ist schon lange etabliert. Inzwischen mehren sich die Belege, dass sich das erhöhte Risiko auch auf andere kardiovaskuläre Komplikationen erstreckt.

Laut einer aktuellen Auswertung der Nurses' Health Study II haben junge Frauen, die an Migräne leiden, längerfristig ein um 50 Prozent höheres Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse als Frauen ohne Migräne (BMJ 2016; online 31. Mai).

Die Studienautoren um Professor Tobias Kurth von der Berliner Charité fordern deswegen dazu auf, Migränepatientinnen auch im Hinblick auf ihr vaskuläres Risiko zu untersuchen.

Die 115.541 Teilnehmerinnen der Nurses' Health Study II waren bei Studieneinschluss zwischen 25 und 42 Jahre alt und frei von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 17.531 hatten zu Beginn bereits eine ärztlich diagnostizierte Migräne, weitere 6389 kamen im Lauf der Studie hinzu. Während der über 20-jährigen Nachbeobachtungszeit wurden 678 Herzinfarkte, 651 Schlaganfälle und 223 Todesfälle aus kardiovaskulärer Ursache erfasst.

Risikoanstieg unabhängig vom Alter

Nach Bereinigung um bekannte Risikofaktoren, unter anderem Alter, Hypercholesterinämie, Hypertonie, BMI, Rauchen, Bewegungsmangel und orale Kontrazeption, hatten Migränepatientinnen ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko für ein schweres kardiovaskuläres Ereignis, bestehend in Schlaganfall, Herzinfarkt oder kardiovaskulär bedingtem Tod.

Auch die einzelnen Ereignisse traten bei ihnen jeweils signifikant häufiger auf: Myokardinfarkt plus 39 Prozent, Schlaganfall plus 62 Prozent und Angina pectoris/koronare Revaskularisation plus 73 Prozent gegenüber Frauen ohne Migräne.

Der Anstieg des kardiovaskulären Risikos bei Migräne war unabhängig von Alter (unter/über 50 Jahre), Hormongebrauch, Raucherstatus und Blutdruck (Hypertonie ja/nein). Wurden nur die Frauen berücksichtigt, bei denen schon zu Studienbeginn eine Migräne bekannt war, betrug die Risikozunahme 57 Prozent für schwere kardiovaskuläre Ereignisse, 77 Prozent für Schlaganfälle und 39 Prozent für Myokardinfarkte.

Frauen besonders häufig betroffen

Die Ergebnisse stehen laut Kurth und Koautoren in Einklang mit anderen epidemiologischen Studien. In einer großen Kohortenstudie war ein erhöhtes Gefäßrisiko allerdings nur bei Migräne mit Aura festgestellt worden. Die vorliegende Studie erlaubt dazu keine Aussage, da das Auftreten einer Aura hier nicht erfasst worden war.

Übereinstimmend gehe aus der bisherigen Datenlage auch hervor, so das Team um Kurth, dass die Assoziation zwischen Migräne und Schlaganfall nur bei jüngeren Patienten und ausgeprägter bei Frauen besteht.

Außerdem mache sich die migränebedingte Risikosteigerung vermutlich nur bemerkbar, wenn die Patienten ansonsten ein eher geringes kardiovaskuläres Risiko aufweisen.

Der zugrunde liegende Pathomechanismus ist den Studienautoren zufolge unbekannt. Dass Frauen mit Migräne ein ungünstigeres vaskuläres Risikoprofil haben, reicht als Erklärung nicht aus, da in der Analyse für diese Faktoren adjustiert wurde.

Hinweise auf systemische Störung

"Einige Mechanismen wie eine erhöhte Thrombogenität, Entzündungsprozesse und bestimmte genetische Marker werden mit beiden Erkrankungen in Zusammenhang gebracht", so die Autoren.

Außerdem gebe es Hinweise, "dass Migräne zum Teil als systemische Störung angesehen werden kann, die das endovaskuläre System betrifft".

Ob eine Migräneprophylaxe außer den Schmerzattacken auch kardiovaskulären Komplikationen vorbeugen kann, ist bislang ebenfalls unklar. Als potenziellen Kandidaten für eine zweifache Prävention sehen Kurth und Kollegen eine Kombination aus Statin und Vitamin D; einer randomisierten Studie verspricht sie zumindest bei Migräne Erfolg.

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