HINTERGRUND

Burn-out? Da müssen Patienten ihr Leben umkrempeln!

Von helga Brettschneider Veröffentlicht:

Verleugnen Menschen für den Job ihre eigenen Bedürfnisse oder erscheinen vormals hoch engagierte Mitarbeiter plötzlich nur noch widerwillig zur Arbeit, kann ein Burn-out-Syndrom dahinter stecken. Das ist anfangs gar nicht so leicht zu erkennen.

Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Vor allem Menschen mit Hang zum Perfektionismus, hohem Engagement und Ehrgeiz sind gefährdet, erinnert Professor Volker Faust aus Ravensburg. Dabei kann ein Burn-out Angehörige aller Berufe treffen: Ärzte und Pflegekräfte, Manager und Pfarrer, Polizisten und Hausfrauen. So zählen wegen ihrer Existenzängste vor allem Freiberufler zu den ausgebrannten Patienten. Angestellte in der zweiten Reihe leiden unter der "Sandwich-Position". Typische Hausfrauen-Falle dagegen ist die Pflege eines Familienmitgliedes, für das sie meist alleine die Verantwortung tragen.

Burn-out-Patienten können nicht Nein sagen

Die Symptome zu Beginn können täuschen. "Sie haben jemanden vor sich, von dem Sie das nicht glauben würden", sagt Faust. "Aktiv, dynamisch, zupackend, ideenreich, kreativ." Die Betroffenen sind oft extrem engagiert, glauben unentbehrlich zu sein und leisten Mehrarbeit. Sie können weder zu sich selbst noch zu anderen Nein sagen. Etwa Ärzte, die noch auf Station sind, wenn andere längst den Feierabend genießen.

Irgendwann merken die Patienten, dass sie nie ausreichend Zeit haben. Also sparen sie Zeit ein. Zuerst an den Hobbys, dann wird der Beruf selbst zum Hobby. "Das geht eine Weile gut, bis die Arbeit keine Freude mehr macht. Dann ist beides weg."

Als nächstes sind die Kontakte dran. Sie kosten zwischenmenschliche Kraft und werden - von außen nach innen - eingeschränkt: zu Kollegen, Nachbarn, Freunden, dann zu Angehörigen und zum Partner. Folge: Die Familie geht auf Distanz. Damit verliert das Zuhause seine Funktion als Insel der Regeneration.

Jetzt fällt der Burn-out langsam auf. Unerbittlich breitet sich die Erschöpfung aus - bis zur Kraftlosigkeit. Die Belastbarkeit sinkt, Widerwille gegen die Arbeit entsteht. Die Betroffenen wirken müde, sind aber innerlich nervös und angespannt. Auch das Leistungsvermögen nimmt ab. Als erstes schwindet die Kreativität, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit treten auf. Die Stimmung bricht ein, wird reizbar. Es entwickeln sich körperliche Beschwerden, für die Ärzte keine organische Ursachen finden.

Alles durchdringende Mattheit ist Hauptsymptom von Burn-out

Burn-out ist keine Depression, hat aber damit einiges gemeinsam und muss davon abgegrenzt werden, so der Neurologe und Psychiater bei einer Veranstaltung von Lundbeck in Hornbach. Von den vielen Symptomen ist Erschöpfung am häufigsten. Nicht im Sinne von Müdigkeit, die wäre durch Urlaub oder mehr Schlaf behebbar. Burn-out-Betroffene plagt Mattheit, die alles durchdringt, seelisch, geistig, körperlich. Lang anhaltende Spannungskopfschmerzen zermürben beide Patientengruppen. Depressive klagen oft über Verstopfung, Burn-out-Patienten dagegen eher über dünnen Stuhl, aber nicht Diarrhoe. Und sie berichten gehäuft über schwindelige Benommenheit, die Depressive selten nennen.

Was hilft? Wer richtig ausgebrannt ist, dem ist schwer Hilfe zu leisten. Der Neurologe klärt seine Patienten ausführlich auf, was sie haben, woran es liegt und was sie tun können - eine Stunde reserviert er dafür. Die Therapie ist hart: "Ich empfehle ihnen eine gesunde Lebensführung, damit sie die Kurve wieder kriegen."

Das ist sehr unbeliebt und schwierig, aber unumgänglich. Deshalb notiert er die Details bewusst als einzelne Punkte auf Privatrezept. Zum Beispiel schleppen die meisten Patienten ein kontinuierliches, täglich zunehmendes Schlafdefizit mit sich herum. Meist gehen sie zu spät ins Bett, weil sie zum Schlafen schon zu müde sind, zu aufgewühlt. Dann sitzen sie vorm Fernseher fest. "Mindestens für drei Stunden", sagt der Psychiater. "Und diese Zeit ist nutzlos, weil sie am nächsten Tag nicht mal mehr wissen, was sie gesehen haben. Aber um sechs Uhr wollen sie alle wieder raus."

Punkt zwei der Verordnung ist ein strammer Marsch, täglich, mindestens eine halbe Stunde - bei Tageslicht. Gesunde Ernährung und Rauchverzicht kommen dazu, ebenso Entspannungstechniken. Alkohol und Kaffee sind nur in Maßen erlaubt. Zudem sollen die Patienten alte Hobbys reaktivieren. Nicht zuletzt erhalten sie die Anweisung, ganz bewusst ihre Kontakte zu pflegen. Denn Reden und Laufen, betont Faust, sind die wichtigsten und preiswertesten Maßnahmen, um gesund zu bleiben.



STICHWORT

Frühsymptome des Burn-out-Syndroms

Burn-out, Ausgebranntsein, bedeutet gebrannt zu haben: Die Betroffenen sind lange Zeit hoch engagiert, arbeiten extrem viel, meist ohne Pausen und fühlen sich unentbehrlich. Kontakte zu Bekannten, Freunden und der Familie werden reduziert und abgebrochen, der Job wird alleiniger Lebensinhalt. Eigene Bedürfnisse werden ignoriert, es folgen Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen. (hbr)

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