Darmkrebs in der Familie bedeutet eine hohe Verantwortung für alle

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Das Motto des Darmkrebsmonats März 2011 lautet: "Familie und Verantwortung". Lassen sich etwa per Gentest erbliche Formen nachweisen, müssen die Familienmitglieder Vorsorge besonders ernst nehmen.

Von Angela Speth

Kolon-Ca in situ. Bei HNPCC treten oft mehrere auf.

Kolon-Ca in situ. Bei HNPCC treten oft mehrere auf.

© Albertinen-Krankenhaus Hamburg; www.endoskopiebilder.de

BERLIN. Auch im zehnten Aktionsmonat gegen Darmkrebs hat die Felix Burda Stiftung einen Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit gewählt: Sie will die Bevölkerung über das familiäre Risiko aufklären.

Damit wendet sich die Kampagne vor allem an jene vier Millionen Menschen in Deutschland, die einen oder mehrere bereits erkrankte Angehörige haben.

Die Aktionen sollen ihnen nahebringen, dass sie besonders anfällig sind und außerdem früher erkranken als der Durchschnitt. Und dass es deshalb ratsam ist, an einer vorgezogenen und intensivierten Vorsorge teilzunehmen, weil das übliche Programm ab 50 für sie zu spät beginnt.

Ein Drittel der Patienten hat Angehörige mit Kolon-Ca

Rund ein Drittel der Darmkrebspatienten hat Angehörige, die bereits an diesen Karzinomen oder Polypen erkrankt sind. Bei den meisten lässt sich dafür keine eindeutige genetische Ursache finden, man spricht hier von familiär gehäuftem Darmkrebs.

Bei etwa fünf Prozent aller Kolon-Ca-Patienten aber sind Mutationen nachweisbar; man spricht von erblichem Darmkrebs. Dessen häufigste Variante wiederum ist das erbliche nicht-polypöse Kolonkarzinom (Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer, HNPCC, Lynch-Syndrom), seltener ist die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP).

Für das HNPCC ist kennzeichnend, dass meist mehrere Tumoren synchron (gleichzeitig) oder metachron (zeitlich versetzt) auftreten, und zwar bei mehr als zwei Drittel der Patienten im rechten Hemikolon. Die Tumoren manifestieren sich früh: im mittleren Alter von 44 Jahren.

Ein Lynch-Syndrom in einer Familie ist (bei Ausschluss einer FAP) wahrscheinlich, wenn bei einer Stammbaumanalyse die Amsterdam-I- und -II-Kriterien erfüllt sind, etwa: mindestens drei Angehörige hatten Darmkrebs, in mindestens zwei aufeinander folgenden Generationen kam der Krebs vor, mindestens einer der Erkrankten war bei der Diagnose jünger als 50 Jahre, mindestens drei Angehörige haben einen mit HNPCC vergesellschafteten Krebs, darunter Endometrium- oder Ovarial-Ca.

Treffen diese Voraussetzungen zu, können sich noch gesunde Mitglieder untersuchen lassen, ob sie die Veranlagung haben und möglicherweise in Zukunft erkranken. Den Einsatz solcher prädiktiven Gentests auf Disposition für Krebserkrankungen allgemein regelt eine Richtlinie der Bundesärztekammer, wie Dr. Verena Steinke beim Forum dieser Organisation in Berlin berichtet hat.

Demnach dürfe nur ein Arzt sie veranlassen, und eine humangenetische Beratung soll vorausgehen. Bei einigen schweren Formen brauchten die Patienten zudem eine psychologische Betreuung, so die Fachärztin für Humangenetik aus Bonn.

Sinnvoll seien die Tests, wenn sie einerseits eindeutige Aussagen ermöglichen: Bei Nachweis der Mutation soll das Erkrankungsrisiko hoch sein, bei Fehlen aber gegen Null tendieren. Und andererseits soll es eine effektive Prävention oder Therapie geben.

Die Erkrankung hat eine hohe Durchschlagskraft

HNPCC erfüllt diese Vorgaben: Es ist eine autosomal-dominant vererbte Störung mit hoher Penetranz: Wer die Anlage hat, erkrankt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent.

Als Auslöser sind Mutationen in sechs Genen bekannt mit dem Bauplan für Proteine, die eigentlich Fehler bei der Vervielfältigung der DNA reparieren sollten: die Mismatch-Reparatur-Gene hMSH2, hMSH6, hMLH1, hMLH3, hPMS1 und hPMS2.

Als Hinweis auf die mangelhafte Replikation findet man mit molekularbiologischen Methoden, dass bestimmte Sequenzen in den Tumoren unterschiedlich oft wiederholt werden als in gesundem Gewebe, als Mikrosatelliteninstabilität bezeichnet.

Da es sich um Keimbahnmutationen handelt, also die DNA in allen Körperzellen verändert ist, haben Menschen mit dieser Anlage auch ein erhöhtes Risiko für andere Krebsarten wie Gebärmutter-, Eierstock-, Magen- oder Dünndarmkrebs, für Krebs der Harn- oder Gallenwege. Bei Kindern von Patienten beträgt die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls zu erkranken, 50 Prozent.

HNPCC: Jährliche Checks sind Pflicht

Für HNPCC-Patienten und deren Familien wird ein besonderes Krebsvorsorge- und Früherkennungsprogramm empfohlen. Nachlesen kann man es unter der Internet-Adresse www.darmkrebs.de, einem Portal der Felix Burda Stiftung. Die Untersuchungen sollten ab dem 25. Lebensjahr, jedenfalls aber fünf Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in der Familie erfolgen:

• Demnach ist einmal pro Jahr eine körperliche Untersuchung, eine Sonografie des Bauchraumes, eine Urinzytologie und eine Darmspiegelung vorgesehen.

• Frauen sollten zusätzlich eine gynäkologische Untersuchung und eine vaginale Sonografie vornehmen lassen - zur Vorsorge gegen Gebärmutter- und Eierstockkrebs.

• Kam in der Familie Magenkrebs vor, ist zur Früherkennung für die Angehörigen ebenfalls in jährlichen Abständen eine Magenspiegelung wichtig.

• Die Familienmitglieder müssen sich lebenslang an das Vorsorgeprogramm halten, selbst oder gerade dann, wenn bei ihnen bereits einmal Darmkrebs entdeckt und chirurgisch entfernt wurde.

In Deutschland gibt es mehrere Zentren für familiären, erblichen Darmkrebs, die sich auf die Diagnose dieser Krebsformen spezialisiert haben. Hier arbeiten Humangenetiker Hand in Hand mit Krebsspezialisten und Fachärzten für Magen-Darm-Erkrankungen. Auf der Website des Verbundprojektes der Deutschen Krebshilfe www.hnpcc.de gibt es Infos zu HNPCC für Patienten, für Ärzte, zu Ansprechpartnern und Zentren, zu Studien und zur Krebshilfe.

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