Urologie

Der Mythos vom sterilen Urin

Mit der Erforschung des Mikrobioms treten neue Aspekte zur Krankheitsentstehung zutage: Das betrifft auch Erkrankungen des Urogenitaltrakts.

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MÜNCHEN. Wenn klassische mikrobielle Methoden im Urin keine Mikroorganismen anzeigen, heißt das nicht, dass dort keine sind, erklärte Vitaly Smelov vom Karolinska-Institut in Schweden beim EAU-Kongress. Vielmehr tummelten sich in den Harnwegen wohl auch bei Gesunden eine ganze Menge von Mikroben, wie Studien mit neuen molekularbiologischen Analysemethoden ergeben haben. Die Gesamtheit aller vorkommenden Mikroorganismen bezeichnet man als Mikrobiota, deren kollektive Genome als Mikrobiom.

Das Mikrobiom sei aber keine statische Sache. Zwar kommen bestimmte Mikroorganismen wohl in jedem Menschen vor, deren Genome bilden das sogenannte Kernmikrobiom, es existiere aber auch ein variabler Teil, der durch verschiedene Faktoren, etwa Lebensstil, Immunsystem, Medikamenteneinnahme oder Krankheiten beeinflusst wird.

Aus der Forschung am Darm weiß man, dass das Mikrobiom je nach Zusammensetzung chronische Entzündungen verursachen, Gene und somit den Metabolismus menschlicher Zellen aktivieren sowie die Immunantwort auf Krebszellen beeinflussen kann. Beim Urogenitaltrakt stehe die Forschung zwar noch am Anfang, doch zeigten erste Studien, dass sich zum Beispiel die mikrobiellen Populationen in Urin, Samenflüssigkeit und Prostatasekret bei Männern mit BPH und Männern mit Prostata-Ca signifikant unterscheiden. Smelov hofft auf lange Sicht gesehen, mit der Erforschung des Mikrobioms im Urogenitaltrakt mehr über dessen Bedeutung bei der Krankheitsentstehung zu erfahren.

Er warnte aber eindringlich davor, mit der Implementierung sensitiverer Nachweismethoden die Antibiotikaverschreibung mit all ihren Nebenwirkungen und Kollateralschäden zu forcieren. Denn der "sterile" Urin sei - wie die neuen Analysemethoden zeigen - ein Mythos, und eine Bakteriurie beweise nicht zwingend ein infektiöses Geschehen. Vielmehr stehe sie für eine Kolonisation oder könne als Risikofaktor gelten. Sie indiziere aber nicht grundsätzlich eine Antibiose.

Vielmehr könne eine bestimmte Kolonisation sogar vor wiederkehrenden Infekten schützen, erklärte Smelov und nannte als Beispiel die Instillation von E. coli in die Blase bei rezidivierender Zystitis. Smelov hofft, gerade vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Antibiotikaresistenzen, mit den neuen sensitiveren Methoden die wahren Uropathogene identifizieren und so die antibakterielle Therapie optimieren zu können. (dk)

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