Doppelleben : Ein Gynäkologe arbeitet auch als Theologe

Von Ulla Bettge Veröffentlicht:

FREIBURG. Für das Doppelleben des Professor Ludwig Quaas als protestantischer Theologe und als praktizierender Gynäkologe gibt es mindestens zwei gute Gründe. Nämlich Eltern mit Staatsexamen in Theologie und acht Geschwister, darunter zweimal Zwillinge und einmal Drillinge, zur Welt gebracht alle in den eigenen vier Wänden des Pastorenhaushaltes im westfälischen Unna. Sowas prägt.

An den ersten Geburtstag des unerwarteten Trios erinnert sich der große Bruder Ludwig genau. Beim Frühstück las der Vater, wie üblich, die Tageslosung aus der Bibel vor, die da lautete: "Habt Ihr je Mangel gehabt? Denn den Seinen gibt’s der Herr reichlich." Plötzliche Vorahnung des Vaters angesichts der hochschwangeren Mutter: "Na dann - das kann ja heiter werden." Wurde es auch, nur wenige Stunden und drei Babies später.

Dem Heranwachsenden habe die väterliche Präsenz als "hervorragender Prediger" in Kirche und Öffentlichkeit - zum Beispiel in der TV-Sendung "Wort zum Sonntag" - so sehr imponiert, daß er beschlossen habe, es ihm gleich zu tun, erzählt Quaas heute. Vorbildfunktion auch von den älteren Brüdern, beide selbst schon im Theologiestudium.

Über seine Schwester in Sigmaringen hört er, daß das Haus Hohenzollern für den 15jährigen Erbprinzen mit Schulverdrossenheit einen Hauslehrer sucht - gegen gutes Entgelt. Der Theologiestudent aus Tübingen kann die 900 Mark im Monat gut gebrauchen - "das war viel Geld". Acht Stunden täglich unterrichtet er den Junior, und zwar " alles, außer Theologie". Mit Erfolg. Seine Durchlaucht Karl Friedrich besteht die Wiederaufnahmeprüfung für das Gymnasium mit Bravour. So ganz nebenher läuft für Quaas die Theologie weiter und endet mit dem Staatsexamen Note "gut".

Für eine psychoanalytische Zusatzausbildung - "ich hatte viel Freud gelesen" - wurden Kenntnisse in Medizin oder Psychologie verlangt. Quaas entschied sich fürs Handfeste, traute sich aber lange nicht, den Vater mit dem Zweitstudium zu konfrontieren. Als er seine Finanzierung über die Studienstiftung des Deutschen Volkes sicher hatte, war das Problem mit 600 Mark monatlich gelöst.

Nebenbei verdingt sich der Mittzwanziger nachts als MTA im Labor des Uniklinikums Freiburg. Trotzdem überspringt er ein Semester und macht sein Physikum nach dem vierten statt dem fünften. "Ich hatte durch das Theologiestudium systematisches Denken gelernt und konnte Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden." Es folgen Famulaturen in Chicago und Hongkong, die Promotionsarbeit über Diabetes liegt beim Staatsexamen 1976 schon vor.

Nach Umwegen über Anästhesie und Biochemie steht für Ludwig Quaas fest: Die klinische Praxis ist es. Als in der Gynäkologie bei Professor Günther Hillemanns zufällig eine Stelle frei wird ("Ich habe mich an meine Mutter mit ihren vielen Hausgeburten erinnert"), greift der Jung-Akademiker zu.

Dreizehn Jahre bleibt Quaas an der Frauenklinik, wo ihn vor allem die Geburtshilfe begeistert, über die er auch habilitiert. "Jede Geburt ist ein einzigartiges Erlebnis." Immer wieder mal verbringt der inzwischen 60jährige Direktor der Geburtshilflichen und Gynäkologischen Klinik am Evangelischen Diakoniekrankenhaus/Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Freiburg ein Wochenende im Kreißsaal.

Daheim, im Hause Quaas, vollzieht sich gerade die Duplizität der Ereignisse. Sohn Alexander, Harvard Universität, Boston, ist nach Schnupperstudien bei Kardiologie, Chirurgie, Orthopädie schließlich auch in der Gynäkologie angekommen. Fazit des Vaters: "Inzwischen lerne ich auch von meinem Sohn."

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