HIV-Impfstoffe

Ein Silberstreif am Horizont

Bisherige Impfstoffkonzepte gegen HIV waren nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Dennoch besteht Hoffnung, mittelfristig eine Vakzine an der Hand zu haben.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Mit verschiedenen Konzepten soll der HIV-Impfstoff Realität werden.

Mit verschiedenen Konzepten soll der HIV-Impfstoff Realität werden.

© RGtimeline / iStock / Thinkst

In bislang sechs Phase-III-Studien waren verschiedene Konzepte für Impfstoffe gegen HIV geprüft worden. Nur einer Studie war ein gewisser Erfolg beschieden, nämlich dem Thai-Trial.

Die etwa 7000 Teilnehmer erhielten nacheinander zwei Vakzinen: Ein ungefährliches Vogelpocken-Virus, das wie ein trojanisches Pferd dem Immunsystem des Körpers die Information für mehrere HIV-Antigene überbringt (Priming) sowie zweitens das Fragment des HIV-Oberflächenproteins, das Hüllprotein Env als Booster. Env wird gentechnisch in Zellkultur hergestellt.

Innerhalb von dreieinhalb Jahren infizierten sich 51 Menschen in der Impfgruppe und 74 Menschen in der Placebogruppe. Daraus ergab sich eine Schutzwirkung von 31 Prozent.

„Dieses Ergebnis gilt als Silberstreifen am Horizont der HIV-Impfstoffentwicklung“, erklären Professor Ralf Wagner und Dr. Benedikt Asbach von der Universität Regensburg (MMW 2018;S2/160: 24-27).

Wichtig ist die zweite Schleife

Denn das Ergebnis des Thai-Trials offenbart Virologen, welche immunologischen Korrelate eine vor HIV-Infektion schützende Immunantwort darstellen. Aufbauend auf der Studie hatten sich Wissenschaftler in Fall-Kontroll-Studien auf die Suche nach solchen Korrelaten begeben.

Demnach sind besonders Antikörper als wichtig identifiziert worden, die sich gegen die Schleife Nummer 2 (V2-loop) des HIV-Oberflächenproteins richten, und hier wiederum besonders IgG3-Antikörper.

Des Weiteren seien polyfunktionelle T-Helfer-Zellen relevant, so die Regensburger Virologen. Polyfunktionelle T-Helfer-Zellen sind in der Lage, mehrere Zytokine zu sezernieren. Ein negatives Korrelat der Immunantwort ergab sich mit IgA-Antikörpern im Serum, weil sie die Wirkung von Anti-V2-Antikörpern aufheben.

Und: Neue Erkenntnisse über die Struktur und die Konformationen des HIV-Hüllproteins Env seien die Grundlage für ein gezieltes Immunogen-Design, so Wagner und Asbach.

Eigentlich bilden HIV-Infizierte im Laufe der Jahre selbst verschiedene breit neutralisierende Antikörper gegen HIV. Theoretisch könnten sie viele Virusvarianten daran hindern, permissive Zellen zu infizieren.

Das Problem: HIV verändert sich kontinuierlich und die körpereigene Antikörperproduktion hinkt permanent der Entwicklung des Virus hinterher. Mit verschiedenen neuen Impfstoffkonzepten wollen Wissenschaftler das ändern.

Erstens wird versucht, das HIV-Hüllproteins Env künstlich zu stabilisieren und dessen Konformationsänderung zu unterbinden. So können neutralisierende Antikörper besser an Env andocken.

Im Tierversuch war es erstmals gelungen, auf diese Weise schwer zu neutralisierende HIV-Isolate zu hemmen. Außerdem versucht man, gezielt solche Epitope in das Env-Protein zu integrieren, an die bereits bekannte neutralisierende Antikörper optimal binden.

Bauplan aus dem Vektor

Eine weitere Idee ist es, die zeitliche Entwicklung der Antikörper gezielt zu steuern, und zwar mit sequenziellen Impfungen. Dabei werden modifizierte Env-Proteine verabreicht, sodass sich eine Reifung hin zu Antikörpern mit hoher Affinität zum Virus ergibt.

Allerdings sei es fraglich, ob das menschliche Immunsystem in der Lage ist, selbst ausreichende Konzentrationen neutralisierender Antikörper zu bilden. Daher besteht die dritte Strategie darin, gentechnisch breit neutralisierende Antikörper herzustellen, die dann passiv verabreicht werden. Diese Antikörper sollen gleichzeitig zwei oder drei verwundbare Stellen auf dem Hüllprotein adressieren, erläutern Wagner und Asbach.

Außerdem arbeite man daran, die genetische Information für neutralisierende Antikörper in virale Vektoren zu integrieren. Verabreicht man diese Vektoren intravenös oder intramuskulär, sollen Leber- und Muskelzellen mithilfe dieses genetischen Bauplans anfangen, körpereigene Antikörper gegen HIV zu produzieren.

„Einige der genannten neuen Impfstoffkonzepte werden bereits in ersten Phase-I-Sicherheitsstudien bei Menschen getestet“, erläutert Wagner. Parallel werden ältere Konzepte in Phase-III-Studien weiter geprüft.

So versucht man das Thai-Trial derzeit in Südafrika nachzuvollziehen, um zu sehen, ob sich der Erfolg wiederholen und gegebenenfalls eine im Vergleich höhere Wirksamkeit erzielen lässt.

Lesen Sie dazu auch: Neue Erkenntnisse: HIV-Heilung ist schwierig, aber möglich

Mehr zum Thema

Zweiter Berliner Patient

HIV-Remission mit nicht-resistenten Stammzellen erreicht

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Abb. 1: PD-1-Inhibitoren: immunvermittelte Nebenwirkungen

© Springer Medizin Verlag GmbH

Thoraxchirurgie beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom

Wie können neoadjuvante Immuntherapien die Tumorresektion beeinflussen?

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Update der Studie EPIsoDE

Psilocybin hält therapieresistente Depressionen ein Jahr lang in Schach

Lesetipps
Warnschild Grippewelle

© nmann77 / stock.adobe.com

ARE in Grafiken

RKI: Grippewelle deutet sich an

Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen