"Eine Hypertonie-Diagnostik ohne Risikofaktorprofil ist unvollständig"

Bei einem Großteil der Menschen mit Bluthochdruck fällt dieser zum ersten Mal beim Hausarzt auf. Bei ihm werden die Weichen für die Behandlung gestellt. Doch wieviel Aufwand muß bei der Diagnostik betrieben werden? Welche Risikofaktoren sollten unbedingt bestimmt werden? Einige Tips und Empfehlungen für die Praxis hat Professor Walter Zidek aus Berlin bei einem von der Hochdruckliga zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin organisierten Symposium gegeben.

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Wird bei einem Patienten ein zu hoher Blutdruck gemessen, sollte das weitere Diagnoseportfolio mit Zurückhaltung zusammengestellt werden, empfiehlt Zidek. Zunächst sei lediglich eine Basisdiagnostik angesagt, die nur dann ausgedehnt werden müsse, wenn es Auffälligkeiten gebe oder wenn die anschließende Therapie keinen Erfolg zeitige.

Zu dieser Basisdiagnostik gehören außer Anamnese und körperlicher Untersuchung ein Urinstatus mit Bestimmung der Protein- und Erythrozyturie, zudem die Ermittlung des Serum-Kreatinin- und des Serum-Kalium-Werts.

Für unverzichtbar hält Zidek zudem zur orientierenden Abschätzung des Risikoprofils die Bestimmung von Nüchternblutzucker und Cholesterinstatus mit LDL- und HDL-Werten. "Eine Hypertonie-Diagnostik ohne Risikofaktorprofil ist unvollständig", betonte der Experte. Der Grund: Das Risikoprofil gibt unter Umständen Auskunft darüber, wie aggressiv der Blutdruck gesenkt werden sollte.

Dies gilt vor allem bei nur leicht erhöhten Blutdruckwerten, wie Zidek an einem Beispiel erläuterte: Liegt der systolische Blutdruck konstant unter 160 mmHg und der diastolische konstant unter 100 mmHg, dann sei es - wenn keine zusätzlichen Risikofaktoren vorliegen - gerechtfertigt, zunächst eine nicht-medikamentöse Blutdrucksenkung mit körperlicher Betätigung und Gewichtsabnahme zu versuchen.

Besteht allerdings eine Risikokonstellation mit pathologischen Blutfetten oder erhöhtem Nüchternblutzucker, dann sollte von Anfang an zusätzlich medikamentös behandelt werden.

Ein umfangreicheres Untersuchungsprogramm empfiehlt Zidek außer bei schwer einstellbarem Blutdruck und bei auffälliger Basisdiagnostik generell bei Hypertonikern mit einem frühen (unter 30 Jahre) oder späten (über 60 Jahre) Krankheitsbeginn.

Womit begonnen werden sollte, hängt vom klinischen Erscheinungsbild ab. Besteht etwa der Habitus eines Morbus Cushing oder einer Hyperthyreose, dann führt der Dexamethasontest oder die Bestimmung von T3 / T4 / TSH meist sehr rasch zum Ziel.

Schwieriger zu diagnostizieren ist der Morbus Conn (primärer Hyperaldosteronismus). Im typischen Fall ist der Kaliumwert niedrig. Doch weder sei bei jedem Patienten mit Morbus Conn der Kaliumwert auffällig, noch sei jeder Patient mit Hypokaliämie und Hypertonie ein Conn-Patient, betonte Zidek. Wesentlich häufiger ist bei dieser Konstellation ein Laxantien- oder Diuretikamißbrauch. Klarheit verschafft im Zweifel die Bestimmung des Aldosteron- Renin-Quotienten.

Ein Problem bleibe auch die hämodynamisch relevante Nierenarterienstenose. Ist der Serumkreatinin-Wert erhöht oder steigt er bei ACE-Hemmer-Therapie an, dann sollte genauer geschaut werden. Abdominelle Strömungsgeräusche sind dagegen wenig sensitiv und wenig spezifisch. Meist handelt es sich um Geräuschphänomene, die in der Aorta entstehen.

Weil die direkten Hinweise auf eine Nierenarterienstenose rar sind, hält Zidek es für vertretbar, eine abdominelle Ultraschalluntersuchung mit orientierendem Gefäßstatus als Teil der Basisdiagnostik bei neu entdeckter Hypertonie zu veranlassen. Die Sonographie decke auch Schrumpfnieren und viele Nebennierenprozesse auf, so daß mit einem preisgünstigen Verfahren mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden könnten. (gvg)

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