HINTERGRUND

Eine Vakzine gegen Zervix-Ca, Doppel-Röhren-CT und die Vogelgrippe - das waren Medizin-Highlights 2006

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Ein CT-Gerät mit zwei gleichzeitig rotierenden Röntgenröhren, das etwa Sehnen und Bänder noch besser beurteilbar macht, erste Erfolge mit der Gentherapie bei erektiler Dysfunktion oder Vakzinen, die gegen Zervixkrebs schützen, - das sind Beispiele für Medizin-Highlights des Jahres 2006. Ein Rückblick auf einige dieser Highlights:

  • Die erste Impfung gegen Zervixkrebs, die jetzt auf dem Markt ist, schützt mit einer Wirksamkeit von bis zu 100 Prozent vor Zervixkrebs und vor Genitalwarzen, die durch die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 verursacht werden. Bis Mitte vergangener Woche haben zwei Kassen zugesagt, die Kosten für die HPV-Impfung bei Mädchen zwischen elf und 18 Jahren zu übernehmen.
  • In puncto Impfen hat sich aber auch etwas beim Schutz für Säuglinge und Kleinkinder getan: Die Ständige Impfkommission hat Ende Juli die Impfempfehlungen deutlich erweitert. Die Impfungen gegen Pneumokokken und Meningokokken Typ C werden jetzt generell für alle Säuglinge und Kleinkinder empfohlen.
  • Noch keine Impfung gibt es dagegen gegen M. Alzheimer. Doch Forscher setzen auf eine neue Vakzine. Die erste Alzheimer-Impfung mit 300 Patienten wurde 2001 geprüft. Etwa 20 Prozent der Geimpften bildeten Antikörper. Bei diesen Patienten hatte sich der Zustand innerhalb von drei Jahren kaum verschlechtert. Allerdings: 17 Patienten bekamen aufgrund der Impfung eine aseptische Meningoenzephalitis, drei starben. Mit einer veränderten Vakzine soll es dieses Problem in einer neuen, jetzt gestarteten Studie, nicht geben.
  • Erprobt wurden 2006 auch viele neue Gentherapien. In einer Phase-II-Studie mit deutscher Beteiligung konnte eine Gentherapie mit einem Wachstumsfaktor-Gen bei pAVK-Patienten jede dritte Amputation ersparen. Und bei erektiler Dysfunktion scheint die Injektion eines Kalium-Kanal-Gens vielversprechend zu sein: In einer kleinen Phase-I-Studie erhielten zwei von elf Männern damit ihre Potenz wieder zurück.

Einen neuen Ansatz für Gentherapien liefern Erkenntnisse der beiden US-Professoren Craig C. Mello und Andrew Z. Fire. Mit bestimmten RNA-Molekülen lassen sich gezielt Gene abschalten, haben sie herausgefunden. Für diese Entdeckung haben die Forscher den diesjährigen Medizin-Nobelpreis erhalten.

  • Bereits medizinische Erfolge vorweisen können österreichische Ärzte mit einer Zelltherapie gegen Streßinkontinenz. Die ersten Patienten wurden damit schon 2002 behandelt, sie sind jetzt - vier Jahre später - noch immer kontinent. Inzwischen wurde das Verfahren bei knapp 300 Patienten angewandt. Dabei werden körpereigene Myoblasten in den Schließmuskel injiziert.
  • Schneller, schärfer, strahlungsärmer - Fortschritte gab es 2006 auch bei bildgebenden Verfahren. So können etwa mit einem CT-Gerät mit zwei parallel rotierenden Röntgenröhren (Dual Source) auch schnell oder unregelmäßig schlagende Herzen ohne Bewegungsartefakte aufgenommen werden. In der LMU München wird seit März ein Dual-Source-CT weltweit erstmals für die klinische Routine bereitgestellt.
  • Aufmerksamkeit erregten 2006 auch wieder Infektionskrankheiten. Im Februar erreichte das Vogelgrippevirus H5N1 Deutschland und sorgte für Aufregung. Auf Rügen starben einige hundert Vögel und einige Katzen, eilig wurden Schutzzonen eingerichtet. Mit dem Ende des Frühlings verschwand das Virus jedoch wieder, ohne daß es Menschen oder großflächig Nutzgeflügel schaden konnte.

Anders dagegen in Südostasien: In Indonesien breitete sich H5N1 massiv in Geflügelhaltungen aus. Auch einige Menschen starben dort an dem Erreger. Dennoch blieb die Vogelgrippe eine reine Tierseuche. Nur in einem Fall wurde eine begrenzte Übertragung innerhalb einer indonesischen Familie nachgewiesen.

Für etwas weniger Aufmerksamkeit als H5N1 aber gravierendere Folgen sorgten in Deutschland Masernviren: Sie ließen im Frühjahr in Nordrhein-Westfalen 1720 Menschen erkranken, die keinen ausreichenden Impfschutz hatten. Stationär mußten 263 Kinder behandelt werden. Fünf Kinder hatten als Komplikation eine Meningitis oder eine Enzephalitis.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es bei der HIV-Pandemie: Die Zahl neuer Infektionen ist 2006 erstmals etwas langsamer gestiegen, vor allem in den schwer betroffenen Ländern. Schätzungsweise tragen derzeit 39 Millionen Menschen das Virus.

Im Schatten von HIV breitet sich Tuberkulose weiter aus. Die höchsten Raten an Neuinfektionen werden in Afrika südlich der Sahara beobachtet. Dort treten auch zunehmend extrem multiresistente Bakterien auf. Sie können Menschen, die auch mit HIV infiziert sind, in wenigen Wochen töten.

  • Und - wer mag sich nicht an dieses Highlight erinnern: Die Französin Isabelle Dinoire kann wieder lächeln: Französische Ärzte haben ihr in einer aufsehenerregenden Op zu einem neuen Antlitz verholfen. Die erste großflächige Gesichtstransplantation entpuppte sich als Erfolg. Die 39jährige, die ein Hund schwer verletzte hatte, stellte sich im Februar erstmals nach der Transplantation mit ihrem neuen Gesicht der Öffentlichkeit vor.
Mehr zum Thema

Forschung

Neue Methode zur Isolierung von HIV-Partikeln entwickelt

Aids- und Infektiologietage

Die wichtige Rolle der Hausärzte in der HIV-Behandlung

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System