Diabetes

Gedanken kreisen nur ums Essen

Nicht nur junge Mädchen mit Typ-1-Diabetes leiden vermehrt an Essstörungen, es trifft auch oft erwachsene Typ-2-Diabetiker.

Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Das klinische Bild der Bulimia nervosa ähnelt in vieler Hinsicht der Magersucht: Die Patienten wollen ein niedriges Körpergewicht erreichen und müssen daher ihr Essverhalten permanent zügeln.

"Eine rigide Kontrolle des Essens ist nötig, um das niedrige Gewicht zu erreichen und vor allem zu halten", beschreiben Privatdozent Dr. Bernhard Kulzer vom Diabetes-Zentrum in Bad Mergentheim und seine Kollegen die Situation (INFo Diabetologie 2014; 8: 30-35). "Daher wächst das Risiko eines Kontrollverlustes."

Kontrollverlust heißt, dass der unvermeidliche Heißhunger zu Essanfällen führt, bei denen die Patienten innerhalb von ein bis zwei Stunden große Nahrungsmengen aufnehmen. Diese erzeugen einen großen Leidensdruck.

Da nun Gewichtszunahme befürchtet wird, folgen gegenregulatorische Verhaltensweisen: Erbrechen, Diäten, Fasten, auch Missbrauch von Laxanzien, Diuretika, Appetitzüglern oder Schilddrüsenhormonen.

Essanfälle und gewichtsreduzierende Maßnahmen ereignen sich mehrmals pro Woche.

Bulimia nervosa in der ICD-10

Die andauernde Beschäftigung mit Essen und die Gier nach Nahrungsmitteln sind wesentliche Diagnosekriterien die Bulimia nervosa in der ICD-10 (F50.2).

Des Weiteren setzen sich diese Patienten eine scharf definierte Gewichtsgrenze, die deutlich unter dem liegt, was als gesund angesehen wird.

"Die Gedanken kreisen oft um Figur und Aussehen. Die Vorstellung zuzunehmen, ist für viele unerträglich", so die Autoren.

Bei Typ-1-Diabetes wird die Prävalenz in Studien zwischen null und drei Prozent verortet, und ist damit im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung (1,5 Prozent) erhöht. Häufig können Essstörungen jedoch nicht so klar den Kriterien der ICD-10 oder dem DSM-5 zugeordnet werden.

Daher sind die Begriffe "nicht näher bezeichnete Essstörung" oder "atypische Bulimia nervosa" eingeführt worden.

Die darunter subsummierten Patienten bilden epidemiologisch die größte Gruppe von Patienten mit Essstörungen: bis zu neun Prozent der Patienten mit Typ-1-Diabetes sollen unter nicht näher zu bezeichnenden Essstörungen leiden, wobei besonders Mädchen in der Adoleszenz als Risikogruppe benannt werden.

Studie bei 70 Frauen und Männern

Doch nicht nur Adoleszente sind von Essstörungen betroffen: In einer Studie bei 70 Frauen und Männern mit Typ-2-Diabetes im Alter zwischen 40 und 65 Jahren hatte jeder Fünfte eine Essstörung, jeder Zehnte wies die Symptome der Binge-Eating-Störung auf.

Die Essstörungen korrelierten mit erhöhten Raten von Angststörungen (Rev Bras Psiquitr 2005; 27: 1135).

Ähnlich sah es in der Look-AHEAD-Studie aus, dort berichteten 7,5 Prozent der Typ-2-Diabetiker über Symptome des Binge Eating (Arch Gen Psychiatry 2008; 65: 1447-1455).

Ähnlich der Bulimia nervosa wiederholen sich beim Binge Eating die Essattacken mindestens einmal wöchentlich, aber ohne gegenregulatorische Maßnahmen.

Mindestens drei der folgenden Symptome sind typisch: sehr schnelles Essen; essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl; Aufnahme großer Nahrungsmengen, obwohl nicht hungrig; es wird allein gegessen, weil man sich schämt; Schuld- und Selbstekelgefühle, besonders nach dem Essanfall. (ner)

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Gastbeitrag

Typ-1-Diabetes hat den großen Teil seines Schreckens verloren

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ärztin schaut sich Bildgebung auf ihrem Tablet an.

© Pixel Skull Design / stock.adobe.com

New Work-Modelle

Homeoffice für Ärzte – so klappt das!

Frau telefoniert

© Matthias Balk / picture alliance

Kontakt mit Patienten

Arztpraxis ohne Telefon: Kann das funktionieren?