HIV-Therapie

HAART, aber wirksam

Der Beginn der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) war ein Meilenstein in der Aids-Therapie. Zwei neue Studien zeigen jetzt, wie sehr dadurch Aids-Mortalität gesunken ist.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Knapp 7000 Männer aus der Homosexuellenszene nahmen an der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS) in den USA in drei Erhebungswellen von 1984 bis 2008 teil; etwa die Hälfte war HIV-positiv.

Knapp 7000 Männer aus der Homosexuellenszene nahmen an der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS) in den USA in drei Erhebungswellen von 1984 bis 2008 teil; etwa die Hälfte war HIV-positiv.

© belcris / Fotolia.com

BALTIMORE. Viele HIV-Infizierte können heute mit antiretroviraler Therapie sehr alt werden. Das spiegelt sich auch in den Daten von zwei Kohortenstudien wider, die Todesursachen von HIV-Infizierten vor und nach Beginn der HAART-Ära analysierten (Am J Epidemiol 2013; 177: 116).

Das Besondere dabei: In den Studien dienten HIV-negative Personen aus demselben Milieu als Kontrollgruppe, es musste also nicht auf möglicherweise unpassende Daten aus der Allgemeinbevölkerung zurückgegriffen werden.

An der einen Studie, der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS), nahmen in drei Erhebungswellen von 1984 bis 2008 knapp 7000 Männer aus der Homosexuellenszene teil, etwa die Hälfte war HIV-positiv.

Die 3800 Teilnehmerinnen der Women's Interagency HIV Study (WHIS) wurden über HIV-Testzentren, Drogentherapieeinrichtungen oder Unterstützungs- und Gesundheitsprogramme gewonnen, mehr als drei Viertel waren HIV-positiv.

Die Frauen nahmen 1996 bis 2008 an der Studie teil. Forscher um Dr. Nikolas Wada aus Baltimore schauten sich nun die Todesursachen und das Todesalter von Teilnehmern im Alter von über 35 Jahren genauer an. Dabei unterschieden sie in MACS zwischen der Zeit vor und nach 1996, als HAART eingeführt wurde.

Ergebnisse: Von 1984 bis 1995 waren 53 Prozent der HIV-positiven Teilnehmer aus MACS gestorben, bei 94 Prozent davon war HIV die Todesursache. Von 1996 bis 2008 starben nur noch 21 Prozent, davon 47 Prozent an AIDS.

Von den HIV-positiven Frauen waren im HAART-Zeitalter von 1996 bis 2008 insgesamt 31 Prozent der Teilnehmerinnen gestorben, davon 50 Prozent an Aids. Als aidsbedingter Tod galt, wenn Aids oder eine aidsbedingte Erkrankung als Todesursache vermerkt worden war.

Sterbealter deutlich verschoben

Interessant sind auch die Unterschiede beim Todesalter. HIV-negative Männer starben im gesamten Zeitraum (1984 bis 2008) im Median mit 73 Jahren, bezogen auf die HAART-Ära seit 1996 im Median mit knapp 75 Jahren.

Bei den HIV-positiven Männern lag das Todesalter bei aidsbedingten Sterbefällen vor HAART im Median bei knapp 43 Jahren, danach bei 48 Jahren - ein Gewinn von 5 Jahren.

Das Sterbealter von HIV-Positiven mit anderen Todesursachen als Aids stieg von 49 Jahren vor 1996 auf 66 Jahre danach - ein Gewinn von 17 Jahren. Frauen, die an Aids starben, taten dies in der HAART-Ära im Median mit 47 Jahren - also in einem ähnlichen Alter wie Männer mit Aids als Todesursache.

HIV-positive Frauen ohne Aids als Todesursache starben jedoch im Median mit 56 Jahren zehn Jahre früher als die Vergleichsgruppe der Männer, jedoch war das Todesalter der HIV-negativen Frauen mit 63,5 Jahren auch elf Jahre niedriger als das der HIV-negativen Männer in MACS.

Die Studienautoren führen dies auf einen deutlich schlechteren sozioökonomischen Status von HIV-gefährdeten Frauen zurück.

Auffallend ist auch der gravierende Unterschied von acht bis neun Jahren beim Todeszeitpunkt zwischen HIV-positiven Teilnehmern ohne Aids als Todesursache und HIV-negativen Teilnehmern.

Ein Grund dafür ist wohl die fast doppelt so hohe Rate an Hepatitis-Koinfektionen in den HIV-Gruppen. Eine konsequente Hepatitistherapie könnte die Mortalität in dieser Gruppe wahrscheinlich weiter senken, vermuten die Forscher.

Möglicherweise trägt auch die erhöhte Depressionsrate bei HIV-Infizierten zu einem schnelleren Tod bei: Sie töten sich nicht nur häufiger selbst, sie suchen auch erst später Hilfe, vernachlässigen ihre Therapien oder flüchten in Alkohol- und Drogenkonsum, heißt es in einem Kommentar zu der Studie.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: HAART ist nicht alles

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