Männerbrüste

Häufig, störend und schwierig zu behandeln?

Auch Männer können große Brüste entwickeln – eine Krankheit: Bei der Gynäkomastie handelt es sich um eine tastbare, uni- oder bilaterale, in einigen Fällen schmerzhafte Vergrößerung des männlichen Brustdrüsenkörpers.

Veröffentlicht:

Von Hans-Christian Schuppe, Giessen und Frank-Michael Köhn, München

Von der sogenannten echten Gynäkomastie wird die Vergrößerung der männlichen Brust durch eine Vermehrung des Fettgewebes (Lipomastie) oder einen benignen Tumor als Pseudogynäkomastie abgegrenzt.

Aufgrund der klinisch oft schwierigen Differenzierung wird von einigen Autoren die Vergrößerung der männlichen Brust insgesamt als Gynäkomastie bezeichnet und ein "lump type" (umschriebener retro-areolärer Knoten) von einem "fatty type" (diffuse Vermehrung des Fettgewebes) unterschieden.

Gestörte Balance der Hormone

Wachstum und Differenzierung des Brustdrüsengewebes beim Mann wird durch Östradiol über Östrogenrezeptoren stimuliert, während Testosteron über den Androgenrezeptor eine inhibierende Wirkung entfaltet. Der Gynäkomastie als klinischem Symptom liegt somit eine gestörte Balance zwischen Androgen- und Östrogenangebot bzw. -wirkung zugrunde, die vielfältige Ursachen haben kann.

Hierzu zählen auch hormonproduzierende Tumoren (insbesondere Keimzelltumoren, Leydig-Zelltumoren des Hodens), das Klinefelter-Syndrom und andere Formen des Hypogonadismus, Leber- und Nierenerkrankungen, Adipositas, sowie viele Medikamente und Drogen. Das zunächst proliferative Brustdrüsenwachstum kann im Verlauf in ein irreversibles Stadium der Fibrosierung übergehen.

Bis zu 90% der männlichen Neugeborenen betroffen

In bestimmten Lebensabschnitten ist die Gynäkomastie als physiologisch anzusehen. Bis zu 90% der männlichen Neugeborenen entwickeln eine reversible Gynäkomastie, die Prävalenz in der Pubertät beträgt 40 - 70%. Für erwachsene Männer wird eine Häufigkeit von 30-60% angegeben berichtet, wobei im Senium mit der höchsten Prävalenz zu rechnen ist. Bei ca. der Hälfte der Patienten mit einer pathologischen Gynäkomastie bleibt die Ursache unklar.

Klinisch imponiert die Gynäkomastie als zumeist beidseitige Vergrößerung der Brustwarze und des Warzenhofes einschließlich eines in Strängen tastbaren, zum Teil dolenten Drüsenkörpers, sehr selten wird eine Galaktorrhoe beobachtet.

Zur Klassifizierung der Brustvergrößerung wird zumeist die qualitative Stadieneinteilung nach Tanner verwendet. Sonographisch lassen sich Drüsenkörper und Fettgewebe voneinander abgrenzen sowie evtl. Zysten oder Verkalkungen identifizieren.

Biopsie teilweise nötig

Bei Verdacht auf einen malignen Tumor oder sonographisch unklaren Befunden ist eine Mammographie angezeigt, zur histologischen Klärung kann eine Feinnadelbiopsie durchgeführt werden.

Mit Blick auf die vielfältigen Ursachen einer Gynäkomastie sind im Einzelfall Röntgen-Thorax, MRT der Hypothalamus-Hypophysen-Region sowie eine bildgebende Diagnostik des Abdomens, insbesondere der Nebennieren, erforderlich. Palpation und Sonographie des Skrotalinhalts zum Ausschluss eines Hodentumors sind bei der Abklärung einer Gynäkomastie obligat.

Der Umfang der Labordiagnostik richtet sich nach der klinischen Einordnung der Gynäkomastie. In den meisten Fällen ist eine Bestimmung von Gesamttestosteron, Estradiol, LH, FSH, Prolaktin und SHBG ausreichend.

Die erweiterte Diagnostik umfasst die Tumormarker hCG und AFP, DHEAS, Androstendion, Cortisol, TSH, fT3, fT4, Leber- und Nierenfunktionsparameter, eine genetische Diagnostik sowie eine HIV-Serologie.

Das diagnostische Vorgehen sollte individuell abgestimmt werden; zum Beispiel erfordert ein sicher als persistierendes pubertäts-assoziiertes Geschehen einzuordnender Befund oder eine als Zufallsbefund entdeckte, bereits länger bestehende und schmerzfreie Gynäkomastie keine intensive Diagnostik.

Differenzialdiagnostisch sind von der Gynäkomastie Zysten, Lipome, eine Lymphadenosis benigna cutis und andere Entzündungsreaktionen, Traumata mit Haematombildung sowie venöse oder lymphatische Abflussstörungen infolge von Karzinomen, Lymphomen oder einer Struma abzugrenzen.

Insbesondere bei einseitigem Befund muss ein Brustdrüsentumor ausgeschlossen werden. Die wichtigste Differenzialdiagnose einer Gynäkomastie ist hier das Mammakarzinom, das in Europa mit einer Inzidenz von ca. 1/100.000 pro Jahr auftritt.

Nicht jede Gynäkomastie muss behandelt werden. Insbesondere bei der Pubertätsgynäkomastie sollte zunächst der Verlauf beobachtet werden, da in weniger als 5% der Fälle mit einer Persistenz zu rechnen ist.

Die Behandlung der pathologischen Formen einer Gynäkomastie zielt auf die Ausschaltung kausaler Faktoren sowie Grunderkrankungen ab. Die Therapie der idiopathischen Gynäkomastie erfolgt in Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad, der Schmerzsymptomatik und des Leidensdrucks des Patienten.

Optionen: Tamoxifen oder Radiatio

Ein medikamentöser Therapieversuch ist vor allem in der proliferativen Phase zu erwägen; erfolgversprechende Studiendaten liegen für das Antiöstrogen Tamoxifen vor. Neben einer Radiatio ist diese Option auch zur Prophylaxe bzw. Therapie bei Androgendeprivation wegen fortgeschrittenem Prostatakarzinom geeignet.

Bei länger als einem Jahr bestehender Gynäkomastie mit Zeichen der Fibrosierung sowie entsprechendem Leidensdruck des Patienten infolge des gestörten männlichen Körperschemas (beinträchtiges Selbstwertgefühl, soziale Isolation) besteht die Indikation für eine subkutane Mastektomie und ggf. Liposuktion durch einen erfahrenen plastischen Chirurgen oder Senologen.

Der Beitrag ist in am 29. September auch in der Kongressausgabe der "Ärzte Zeitung" zum 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Leipzig erschienen.

Mehr zum Thema

Umfrage zur Vitamin D-Versorgung

Was tun bei Unterversorgung an Vitamin D?

Kooperation | In Kooperation mit: P&G Health
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Wolfgang P. Bayerl 30.09.201609:58 Uhr

ein dankbarer rel. kleiner Routineeingriff

bei Bodybuildern oder anderen Sportlern, die Anabolika nehmen.
Natürlich immer erst Hodentumor ausschließen.
Auch bei Lebercirrhose (Alkohol) kommt es durch gestörten Hormonabbau nicht selten dazu.
Soweit wie auf dem Foto sollte man es nicht kommen lassen.

Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an