Neue Impfstoffe versprechen immer mehr Schutz

Impfungen sind besonders effektive Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit. In den nächsten Jahren werden gleich mehrere neue Impfstoffe zur Verfügung stehen, etwa gegen Rotaviren, humane Papillomaviren und Herpes-zoster-Viren.

Von Swanett Koops Veröffentlicht:

Herbeigesehnt wird zum Beispiel die Impfung gegen Rotaviren, wie der Pädiater Professor Burkhard Schneeweiß berichtet hat. Diese Viren verursachen Durchfallerkrankungen vor allem bei Kleinkindern, die besonders in Entwicklungsländern ver-heerende Folgen haben: Jährlich sterben 500 000 Menschen weltweit an Rotavirus-Erkrankungen, zwei Millionen Menschen werden stationär behandelt, so der Mikrobiologe und Leiter der pädiatrischen Abteilung der Ostseeklinik Kühlungsborn.

Zwei orale Lebendimpfstoffe sollen auf den Markt kommen, die zwar nicht 100prozentig vor der Infektion, jedoch die meisten Impflinge vor schweren Durchfällen schützen. Einer der Impfstoffe ist in Mexiko bereits zugelassen, in Europa wurde dazu die Phase-III-Prüfung abgeschlossen und die Zulassung beantragt.

Durch Impfung wurde die Zoster-Rate halbiert

Ebenfalls entwickelt wird ein Impfstoff gegen Herpes zoster. "Besonders für ältere und immungeschwächte Patienten ist der Zoster ein schwerwiegendes Problem ", sagte Schneeweiß bei der Fortbildungsveranstaltung der Bundesärztekammer in Berlin. Mit einem Impfstoff können hier sowohl die Inzidenz der Erkrankung als auch die postzosterischen Neuralgien reduziert werden, wie eine Studie aus den USA mit 40 000 Patienten belegt hat.

Der Impfstoff enthält im Vergleich zu bisherigen Varizellen-Impfstoffen mindestens das zehnfache an Antigenen. Mit der Impfung wurde das relative Risiko, an Zoster zu erkranken, um 52 Prozent gesenkt, das Risiko für postzosterische Neuralgien sank sogar um 67 Prozent.

Große Hoffnungen werden auch auf Impfstoffe gegen humane Papil-lomaviren (HPV) gesetzt. Weltweit gelten 70 Prozent der Menschen als HPV-infiziert, in Europa infizieren sich jährlich etwa 36 Millionen Frauen mit dem Virus. Die Infektion gilt bekanntlich als pathogenetischer Faktor für die Entstehung eines Zervix-Karzinoms.

Zwei gentechnisch hergestellte Totimpfstoffe befinden sich im Zulassungsverfahren: Der eine ist gegen die Serotypen 16 und 18 gerichtet (sie rufen etwa 70 Prozent der Zervix-Karzinome hervor), der andere deckt zusätzlich die Serotypen 6 und 11 ab, die Genitalwarzen und Kondylome verursachen. In klinischen Studien bestand nach der Impfung ein vollständiger Schutz vor Infektionen mit HPV 16 und 18.

Der Impfschutz reduziert Infektionen mit HPV

Schneeweiß wies darauf hin, daß es bis zur Einführung des Impfstoffs in die Praxis noch einige Fragen zu klären gibt: Sollen nur Mädchen geimpft werden? Wann ist das beste Alter für die Impfung? Und wann sollte nachgeimpft werden?

Der Pädiater sieht ein hohes Potential in der Impfung: "Würde es gelingen, das Zervix-Ca durch solch eine Impfung zu reduzieren, wäre das eine Sensation." Allerdings wird diese Sensation noch auf sich warten lassen. Denn aufgrund der langen Latenzphase zwischen Infektion und Karzinom-Entstehung werde es Jahrzehnte dauern, bis sich durch die Impfung eine Senkung der Erkrankungs- und Sterberate bemerkbar macht, so Schneeweiß.

Die Impfung, die zur Zeit vermutlich die meisten Menschen interessiert, ist die Impfung gegen einen möglichen Influenza-Pandemie-Stamm. Schneeweiß sieht hier eine große Gefahr: "Bis auf die Übertragbarkeit der Vogelgrippe-Viren H5N1 von Mensch zu Mensch sind die Bedingungen für eine Pandemie inzwischen erfüllt", sagte Schneeweiß.

Sollte auch dieses letzte Kriterium erfüllt sein und ein Pandemie-Virus auftauchen, braucht es nach Schneeweiß Angaben mindestens drei Monate, bis ein entsprechender Impfstoff zur Verfügung steht.

Pandemie-Impfstoff soll ganze Viren enthalten

Gegen eine Pandemie werde dann voraussichtlich ein Vollvirus-Impfstoff mit Aluminiumhydroxid als Adjuvanz hergestellt, wie Schneeweiß berichtet hat. Mit dem Adjuvanz läßt sich die Immunogenität der Antigene verbessern.

Die benötigten Influenza-Viren würden dabei wahrscheinlich auf Zellkulturen und nicht auf Hühnereiern gezüchtet, sagte der Impfexperte. Denn mit Zellkulturen sei eine höhere Viren-Ausbeute möglich. Die Zeit während der Impfstoffentwicklung müßte durch antivirale Mittel und andere Schutzmaßnahmen überbrückt werden.

In diesem Zusammenhang betonte Schneeweiß noch einmal den Stellenwert einer Impfung gegen die saisonale Grippe als Bestandteil eines Pandemieplans. Denn durch die Basisimmunität könnten Doppelinfektionen vermieden werden. Solche Doppelinfektionen mit einem normalen Grippevirus und dem gefährlichen H5N1-Virus könnten der Ausgangspunkt für die Entstehung eines besonders virulenten, und kontagiösen Pandemievirus sein.



STICHWORT Aus dem Springer Lexikon Medizin

Impfung

Impfung ist die Erzeugung einer Immunität durch Impfstoffe (aktive Immunisierung) oder Immunglobuline (passive Immunisierung). Impfstoffe zur aktiven Immunisierung bestehen aus abgetöteten oder lebenden Krankheitserregern, oder auch aus Teilen oder Stoffwechselprodukten von Krankheitserregern. Die Simultanimpfung ist eine gemischte aktiv-passive Immunisierung, bei der Immunglobulin und Antigen zur selben Zeit, aber an verschiedenen Körperstellen appliziert werden. Dabei darf kein Lebendimpfstoff verwendet werden, und die Anwendung ist auf wenige Spezialfälle (etwa bei Tetanus oder Hepatitis B) begrenzt.

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