Renale Denervation

Neue Studie überrascht die Fachwelt

Völlig überraschende Nachrichten zur renalen Denervation: Die Studie SYMPLICITY HTN-3 bei therapieresistenter arterieller Hypertonie hat ihren primären Wirksamkeitsendpunkt verfehlt. Viele Experten hatten ein anderes Ergebnis erwartet.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Nierenarterien im Blick: Kratzt die SYMPLICITY-HTN-3-Studie am jungen Ruf der Katheterablation?

Nierenarterien im Blick: Kratzt die SYMPLICITY-HTN-3-Studie am jungen Ruf der Katheterablation?

© Springer Verlag

BERLIN. Die renale Denervation galt bis vor wenigen Tagen unter Hypertensiologen und Kardiologen als ausgesprochen vielversprechende Katheterintervention bei Patienten mit arterieller Hypertonie.

Bei dem Verfahren werden Nervenfasern des sympathischen Nervensystems verödet, die sich in den Gefäßwänden der Nierenarterien befinden.

Die Verödung erfolgt über Elektroden, die per Katheter in die beiden Nierenarterien vorgeschoben werden. Das Verfahren greift das Prinzip der schon Mitte des 20. Jahrhunderts vereinzelt eingesetzten operativen Sympathektomie auf.

An der SYMPLICITY-HTN-3-Studie haben über 500 Patienten mit therapieresistenter arterieller Hypertonie teilgenommen. Die Behandlung erfolgte entweder mittels renaler Denervation oder mit einer Sham-Prozedur, bei der lediglich ein Katheter geschoben wurde, nicht aber eine Verödung erfolgte.

An medikamentöser Therapie war in beiden Gruppen alles erlaubt, was für nötig erachtet wurde. Primärer Effektivitätsendpunkt von SYMPLICITY-HTN-3 war ein Unterschied von 15 mmHg im systolischen, in der Arztpraxis gemessenen Blutdruck im Vergleich zu Patienten mit Sham-Intervention sechs Monate nach dem Eingriff.

Dieser Unterschied wurde nicht erreicht, wie das Unternehmen Medtronic jetzt mitgeteilt hat. Ebenfalls mitgeteilt wurde, dass der primäre Sicherheitsendpunkt erreicht werden konnte.

Es gab demnach zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede bei den Komplikationsraten in den ersten vier Wochen nach dem Eingriff, und offensichtlich auch keine Unterschiede zwischen den Raten an Nierenarterienstenosen nach sechs Monaten.

Detailliertere Studienergebnisse sind derzeit allerdings noch nicht bekannt. Insbesondere ist unklar, wie knapp das Signifikanzniveau beim Effektivitätsendpunkt verfehlt wurde. Es wird allgemein erwartet, dass die erste Auswertung der Ergebnisse bei der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) im März vorgestellt wird.

Denervationszentren sind längst in Planung

Das negative Ergebnis der SYMPLICITY-HTN-3-Studie kommt ziemlich überraschend.

In kleineren klinischen Studien der letzten Jahre war die katheterbasierte renale Denervation wiederholt mit einer medikamentösen Behandlung verglichen worden. Dabei konnten teils ausgeprägte Blutdruckeffekte nachgewiesen werden.

So sank der systolische Blutdruck in der mit einem Medtronic-System durchgeführten, randomisierten SYMPLICITY-HTN-2-Studie (106 Patienten) bei Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe um 32 mmHg.

Und die einarmige EnligHTN I-Studie, in der ein System des Herstellers St. Jude bei 46 Patienten zum Einsatz kam, zeigte eine Blutdrucksenkung von 27 mmHg systolisch. Randomisierte Studien mit Sham-Kontrolle gab es bisher allerdings genauso wenig wie Studien mit harten klinischen Endpunkten.

Trotz dieser relativ spärlichen Datenlage fiel die renale Denervation in der Hypertensiologie auf fruchtbaren Boden.

So haben beispielsweise die deutschen Fachgesellschaften für Kardiologie und Nephrologie zusammen mit der Hochdruckliga ein Zertifizierungsprogramm für Renale Denervations-Zentren (RDZ) ins Leben gerufen, das eigentlich 2014 starten sollte.

Die Fachgesellschaften haben sich auch auf Kriterien für die Indikationsstellung geeinigt. Demnach ist die renale Denervation nur dann indiziert, wenn der Blutdruck auch mit einer medikamentösen Mehrfachkombination nicht unter 160/90 mmHg zu bekommen ist - nach Ausschöpfung von Lebensstilmaßnahmen sowie einer Abklärung sekundärer Bluthochdruckursachen.

"Im Moment kein Sicherheitsrisiko"

Was aus all dem jetzt wird, ist völlig unklar. "Diese Mitteilung wird viele überrascht haben. Der Ausgang von Studien ist nicht vorhersagbar", sagte Hochdruckliga-Vorstandsmitglied Dr. Siegfried Eckert vom Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen auf Nachfrage von Springer Medizin.

Die Hochdruckliga hatte die renale Denervation noch im Dezember zu einem Schwerpunktthema ihres Jahreskongresses gemacht. Eckert plädiert dafür, bis März zu warten, bevor Aussagen zu Konsequenzen aus dieser Studie gemacht werden: "Im Moment besteht kein Sicherheitsrisiko."

Dr. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlandes sieht das genauso. Sofortige Konsequenzen müssten nicht gezogen werden, da der Sicherheitsendpunkt erreicht wurde und in mehreren anderen Studien ein signifikanter Blutdruckeffekt dokumentiert werden konnte.

Privatdozent Oliver Vonend vom Universitätsklinikum Düsseldorf mahnt angesichts der Negativstudie allerdings, noch stärker als bisher auf eine strenge Indikationsstellung zu achten.

Nicht zu erwarten ist, dass kurzfristig neue Studiendaten zur Verfügung stehen, die eine Bewertung des Verfahrens auf breiterer Datenbasis erlauben würden.

St. Jude hat im Dezember bekannt gegeben, dass die auf 590 Patienten angelegte, randomisierte kontrollierte EnligHTN-IV-Studie gestoppt wurde - mit Verweis auf Rekrutierungsprobleme.

Was aus der noch größeren EnligHTNment-Studie wird, die die renale Denervation anhand von kardiovaskulären Ereignissen als Endpunkte bei rund 4000 Patienten evaluieren soll, ist unklar.

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