FOURIER-Studie mit Evolocumab

"Nun gilt es, die richtigen Patienten für die Therapie herauszuarbeiten"

Nun ist es erwiesen: Zusätzlich zu einem Statin und gegebenenfalls Ezetimib sinkt das kardiovaskuläre Risiko noch einmal, wenn Hochrisiko-Patienten mit KHK den PCSK9-Inhibitor Evolocumab erhalten. Das Ausmaß des Nutzens sorgt indes für Diskussionsstoff – nun müssen die richtigen Patienten für die Therapie definiert werden.

Von Dirk Einecke Veröffentlicht:
Die Lipidsenkung durch PCSK-9-Hemmer war bereits 2015 beim ACC-Kongress in San Diego ein viel diskutiertes Thema.

Die Lipidsenkung durch PCSK-9-Hemmer war bereits 2015 beim ACC-Kongress in San Diego ein viel diskutiertes Thema.

© DE

WASHINGTON. Von einer kardiovaskulären Langzeittherapie wird heute erwartet, dass sie nicht nur Risikomarker reduziert, sondern auch tatsächlich die Prognose des Patienten verbessert, in dem sie vor kardiovaskulären Komplikationen schützt. Im Falle der Statine war dies vor 20 Jahren noch einfach: Getestet wurde gegen Placebo, die Risikofaktoren der Patienten waren immens hoch, die heute übliche kardiovaskuläre Sekundärprävention steckte noch in den Kinderschuhen. Dennoch liefen die Studien mehrere Jahre, bis das Ausmaß des klinischen Nutzens offensichtlich wurde.

Im Falle von Ezetimib war die Situation schon wesentlich schwieriger: Die Substanz wurde vor dem Hintergrund einer Statin-Therapie getestet, die LDL-Cholesterinwerte waren auch in der Kontrollgruppe exzellent eingestellt. So dauerte es viele Jahre, bis in der IMPROVE IT-Studie eine kleine, aber statistisch signifikante Risikosenkung festgestellt werden konnte. Der Wert der Studie bestand vor allem im Beweis des Prinzips, dass es die LDL-Senkung ist, welche den klinischen Effekt bewirkt, und nicht irgendwelche "pleiotrope" Effekte der Statine.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass zahlreiche andere lipidsenkende Medikamente den überzeugenden Beweis einer klinischen Wirksamkeit schuldig geblieben und aus dem Therapiearsenal entfernt worden sind.

Die gegen PCSK9 gerichteten monoklonalen Antikörper – zugelassen sind Evolocumab und Alirocumab – verhindern den Abbau des LDL-Rezeptors in den Leberzellen. Dieser zu Statinen komplementäre Wirkmechanismus sorgt für eine immens starke LDL-Senkung: Selbst bei Patienten unter Statinen wird das LDL im Durchschnitt noch einmal um 60 Prozent reduziert; LDL-Werte von 20-30 mg/dl, wie sie in den ersten Lebensjahren üblich sind, sind plötzlich erreichbar.

Allerdings ist der Preis der subkutan zu applizierenden Therapie mit derzeit circa 8000 Euro jährlich immens hoch. In Ermangelung klinischer Endpunktdaten war die Therapie deshalb in die Hände von Spezialisten gelegt worden und wurde für besondere Hochrisiko-Patienten reserviert.

Nun liegen mit der FOURIER-Studie (NEJM 2017; online 17. März), deren Ergebnisse jetzt bei der 66. Jahrestagung des American College of Cardiology ACC in Washinton vorgestellt wurden, positive Endpunktdaten für Evolocumab (Repatha®) vor. Erneut wurde bewiesen, dass es die LDL-Senkung an sich ist, welche die Prognose verbessert: Je niedriger das LDL, desto niedriger das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen.

Durch LDL-Reduktion von 92 auf 30 mg/dl konnte das relative Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen um 15 Prozent und das absolute Risiko um 1,5 bis 2 Prozent reduziert werden. Das ist nicht sehr viel, allerdings war die Therapiezeit mit zwei Jahren kurz. Die Number Needed to Treat lag bei 74 in zwei Jahren. Hochgerechnet kommt man auf enorme Kosten für eine verhinderte nicht tödliche Komplikation. Das Bild mag sich langfristig ein wenig verbessern, da die Risikosenkung mit zunehmender Therapiezeit zuzunehmen scheint.

ACC-Kommentator Professor Valentin Fuster, Mount Sinai Hospital in New York, betonte, dass nun die Kosten-Effektivität genau analysiert werden müsse. Einfach alle Patienten mit dem Profil der FOURIER-Patienten zu behandeln sei nicht gerechtfertigt. Dies sei auch die falsche Überlegung, so der Bremer Lipidexperte Professor Gerald Klose auf Nachfrage. In der Studie FOURIER sei es darum gegangen, die Wirksamkeit des Therapieprinzips zu beweisen. Die Studienpatienten seien aber nicht die richtigen Kandidaten für die hochwirksame, aber eben auch kostenintensive Therapie. Nun gelte es, die richtigen Patienten für die Therapie herauszuarbeiten. Die Überlegung, die Therapie für Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie, echter Statin-Intoleranz oder schwerster progredienter KHK zu reservieren, sei ein guter Ansatz.

Die Sorgen, PCSK9-Inhibitoren könnten die Kognition beeinträchtigen, sind übrigens vom Tisch. Im Gesamtkollektiv der FOURIER-Studie wurde eine Verschlechterung der kognitiven Leistungen in Verum- und Placebogruppe mit exakt gleicher Häufigkeit registriert. In der prospektiven Studie EBBINGHAUS bei einer Subgruppe des FOURIER-Studienkollektives wurde mit validierten neurokognitiven Testserien sehr intensiv nach kognitiven Nebenwirkungen des PCSK9-Inhibitors geforscht. Doch es fanden sich keinerlei Unterschiede zur Placebogruppe.

FOURIER-Studie

- FOURIER steht für: Further cardiovascular OUtcomes Research with PCSK9 Inhibition in subjects with Elevated Risk

- 27.564 stabile KHK-Patienten mit hohem Risiko erhielten Statine, 70 Prozent in hoher Dosis. Dadurch wurde ein medianer LDL-Ausgangwert von 92 mg/dl erreicht. Unter Evolocumab sank der LDL-Wert im Median auf 30 mg/dl.

- Kombinierter primärer Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, Einweisung mit instabiler Angina, koronare Revaskularisation): 9,8 Prozent (Evolocumab) vs. 11,3 Prozent (Placebo). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion um 15 Prozent und einer absoluten Reduktion um 1,5 Prozentpunkte.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München

Primärprävention

Empfehlungen aktualisiert: LDL-Cholesterin wann und wie senken?

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

© Springer Medizin Verlag

Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Puren Pharma GmbH & Co. KG, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse