Plädoyer für Phytotherapie bei Magen-Darm-Kranken

BERLIN (gvg). "Seit Anfang Februar stehen bei uns die Telefone nicht mehr still", so Petra Ilgenstein vom Verein Deutsche Reizdarmselbsthilfe. Im Januar sei die Gesundheitsreform unter den Anrufern bei der Organisation noch kein großes Thema gewesen. Das sei nun anders. Denn: Die Arznei-Vorräte der Patienten sind aufgebraucht und bei der Verschreibung von OTC-Präparaten herrscht Verwirrung.

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"Anfang des Jahres hatten die Patienten noch ihre Medikamente. Wie bei jeder neuen Gesundheitsreform haben sie sich vor Jahreswechsel noch einmal Rezepte geben lassen", so Ilgenstein bei einer Veranstaltung der Gastro-Liga in Berlin. Doch dieser Vorrat gehe jetzt zur Neige, und die Verunsicherung bei Ärzten, welche OTC-Präparate noch verschrieben werden dürfen, übertrage sich auf die Patienten.

Ilgenstein hat hierzu ein drastisches Beispiel parat: Ein Patient mit funktionellen Magen-Darm-Beschwerden habe angerufen und berichtet, sein Arzt habe ihm eine N1-Packung eines Phytotherapeutikums, das der Patient schon lange einnimmt, mit den Worten verschrieben: "Sie bekommen das jetzt noch einmal auf Rezept und dann nie wieder."

Dabei können - wie es für alle anderen OTC-Präparate auch gilt - Phytotherapeutika bei Reizmagen, Reizdarm und anderen funktionellen gastrointestinalen Beschwerden zumindest bis zum 31. März noch verschrieben werden wie bisher, wie der niedergelassene Gastroenterologe aus München Dr. Berndt Birkner betonte. Danach soll die endgültige Ausnahmeliste des Gemeinsamen Bundesausschusses festlegen, welche OTC-Präparate noch von den Krankenkassen bezahlt werden.

Sollten Phytotherapeutika bei funktioneller Dyspepsie ab dem ersten April nicht auf der Ausnahmeliste stehen, dann wäre das nach Ansicht von Professor Gerald Holtmann vom Uniklinikum Essen eine klare Fehlentscheidung: "Zum einen sind die funktionellen Magen-Darm-Beschwerden schwerwiegende Erkrankungen, die zwar nicht die Sterblichkeit erhöhen, die aber mit einem großen Verlust an Lebensqualität, mit starkem Leidensdruck und mit wiederholten Arztbesuchen einhergehen", so Holtmann. Zum anderen sei die Wirksamkeit einiger Phytotherapeutika bei funktionellen Beschwerden durch klinische Studien belegt.

So habe seine Arbeitsgruppe im vergangenen Jahr in einer doppelblinden, randomisierten und kontrollierten Studie mit 244 Patienten festgestellt, daß die sechswöchige Therapie mit einem Artischockenblätter-Extrakt Dyspepsie-Symptome signifikant stärker reduziert als Placebo. Holtmann hatte dazu das Präparat Hepar-SL® verwendet.

Ähnlich gute Daten gebe es für die Kombination aus Kümmel- und Pfefferminzöl. Das Mittel Enteroplant® hat in mehreren Studien besser als Placebo und zumindest genauso gut wie synthetische motilitätssteigernde Präparate abgeschnitten. Nachgewiesen sei auch der Nutzen des pflanzlichen Kombipräparats Iberogast®, so Holtmann. Hier habe eine noch unveröffentliche Studie ergeben, daß eine achtwöchige Therapie bei 43 Prozent der Dyspepsie-Patienten zu Beschwerdefreiheit führte. Mit Placebo war das nur bei vier Prozent der Fall.

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