Primärprävention der KHK mit ASS - was bei Frauen anders ist

Macht es Sinn, augenscheinlich gesunde Frauen zum Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall mit Acetylsalicylsäure (ASS) zu behandeln? Die Antwort auf diese Frage sollte die größte Studie geben, die jemals zum Nachweis einer präventiven Wirkung von ASS aufgelegt worden ist. Leider fielen ihre Ergebnisse nicht ganz den Erwartungen entsprechend aus, weshalb sich einfache Antworten auf die gestellte Frage kaum geben lassen.

Veröffentlicht:

Peter Overbeck

In der Sekundärprävention erneuter kardiovaskulärer Ereignisse ist Acetylsalicylsäure (ASS) die wohl kosteneffektivste Therapieoption mit dokumentierter Wirksamkeit.

Auch für die Primärprävention bei initial gesunden Probanden belegen die vorliegenden Studien mit insgesamt über 55 000 Teilnehmern einen günstigen Effekt dieser Behandlung auf die Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen.

Wie eine Auswertung der gepoolten Daten ergab, wurde durch die vorbeugende Behandlung mit ASS die Inzidenz akuter Myokardinfarkte signifikant um 32 Prozent gesenkt. Auf die Schlaganfallrate hatte diese Prophylaxe keinen signifikanten Einfluß.

Bei Männern weniger Herzinfarkte durch Primärprävention mit ASS

Allerdings kann der Nutzen dieser Behandlung streng genommen nur bei Männern als belegt gelten, da Frauen in den Studien absolut unterrepräsentiert waren. Insofern stehen die in einigen Leitlinien ausgesprochenen Empfehlungen zur primärpräventiven Behandlung von Frauen mit ASS wissenschaftlich auf etwas wackeligen Füßen.

Die große Women’s Health Study (WHS) sollte die bestehenden Erkenntnislücken schließen. Studienleiter Professor Paul Ridker aus Boston hat die Ergebnisse in Orlando erstmals vorgestellt.

In der WHS-Studie sind 39 876 anfänglich gesunde Frauen im Alter über 45 Jahre im Schnitt zehn Jahre alle zwei Tage mit 100 mg ASS oder Placebo behandelt worden. Geklärt werden sollte, ob sich durch diese Behandlung das erstmalige Auftreten eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses (primärer Endpunkt: nicht tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall, kardiovaskulär bedingter Tod) günstig beeinflussen läßt.

Die Hoffnung, durch ASS-Prophylaxe die Gesamtrate dieser kardiovaskulären Ereignisse deutlich senken zu können, wurde enttäuscht. Erreicht wurde nur eine statistisch nicht signifikante Reduktion um 9 Prozent, berichtete Ridker.

Etwas erfreulicher fiel das Ergebnis beim Blick auf die einzelnen Komponenten des primären Endpunkts aus. Zwar hatte ASS - wider Erwarten und ganz im Gegensatz zum dokumentierten Nutzen bei Männern - bei den Teilnehmerinnen der WHS-Studie nicht den geringsten Einfluß auf die Herzinfarktrate.

Anders als die Männer in den vorangegangenen Studien profitierten die an der WHS-Studie beteiligten Frauen jedoch von einer signifikanten Abnahme der Zahl von Schlaganfällen bei ASS-Behandlung. Hier betrug die Risikoreduktion 17 Prozent im Vergleich zu Placebo, basierend auf einer signifikanten Abnahme von ischämischen Hirninsulten um 24 Prozent in der ASS-Gruppe.

Auf Basis der WHS-Daten läßt sich errechnen, daß 500 Frauen zehn Jahre lang ASS erhalten müssen, um einen Schlaganfall zu verhindern (Reduktion von 1,3 auf 1,1 Prozent). Als Preis für diesen Nutzen ist allerdings eine Zunahme von gastrointestinalen Blutungen (von 3,8 auf 4,6 Prozent) in Kauf zu nehmen.

Auch die WHS-Forscher haben natürlich die Effekte von ASS in diversen Subgruppen analysiert, ohne dabei allerdings auf viel Erhellendes zu stoßen. Nur das Lebensalter fiel als relevanter Einflußfaktor ins Auge. So hatten Frauen im Alter unter 65 Jahre so gut wie keinen Nutzen von der ASS-Behandlung. In der Subgruppe der über 65jährigen Teilnehmerinnen war dagegen eine signifikante Reduktion der Zahl kardiovaskulärer Komplikationen zu beobachten, wobei ASS hier auch das Risiko für den Herzinfarkt verringerte.

Das Thema Vitamin-E-Prophylaxe kann ad acta gelegt werden

Kaum noch überraschen dürfte, daß die in der WHS-Studie ebenfalls geprüfte Prophylaxe mit Vitamin E nicht die geringste primärpräventive Wirkung hatte - eine Ergebnis, daß die bereits in vielen früheren Studien gezeigte Wirkungslosigkeit ein weiteres mal bestätigt.

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