DGPPN-Kongress 

Psychiater wollen Jobchancen psychisch Kranker verbessern

Ein Teilhabekompass und neue Konzepte zur Integration sollen  psychisch Kranken helfen, im Berufsleben Fuß zu fassen. Wie das aussehen soll, haben Experten auf dem DGPPN-Kongress diskutiert.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
"Arbeitsassistenten" sollen helfen, psychisch kranken Patienten nach der Akutbehandlung einen Job zu vermitteln.

"Arbeitsassistenten" sollen helfen, psychisch kranken Patienten nach der Akutbehandlung einen Job zu vermitteln.

© contrastwerkstatt / fotolia.com

BERLIN. Als "verheerend" bezeichnete Professor Iris Hauth die aktuellen Zahlen zur Arbeitssituation von psychisch Kranken. Nur etwa zehn Prozent der chronisch Kranken seien am ersten Arbeitsmarkt beschäftigt, und etwa die Hälfte gehe überhaupt keiner Beschäftigung nach, sagte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) beim Kongress der Gesellschaft.

Dies sei umso schlimmer, als sich eine regelmäßige Berufstätigkeit positiv auf den Krankheitsverlauf auswirke.

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Ein Grund für die geringe Beschäftigungsquote sei auch ein unübersichtliches System von Reha- und Integrationsmaßnahmen. "Wir haben festgestellt, dass solche Angebote nicht ausreichend bei den Betroffenen ankommen", erläuterte Hauth. Vor allem an der Schnittstelle zwischen Akutbehandlung und Reha fehlten Steuerungsmöglichkeiten.

Die DGPPN will dieses Problem nun mit einem Teilhabekompass angehen. Primär an Ärzte und Therapeuten gerichtet, bietet er einen Überblick über regelfinanzierte Leistungsanbieter und Maßnahmen nach dem neunten Sozialgesetzbuch.

Internetportal aufgebaut

An praktischen Beispielen werden die jeweiligen Optionen erläutert. Der Kompass ist als Broschüre erhältlich, zudem hat die DGPPN unter www.teilhabekompass.de ein entsprechendes Internetportal aufgebaut.

Ein weiteres Problem gerade in Deutschland sei jedoch eine sehr späte Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, erläuterte Professor Katarina Stengler von der Universität Leipzig. So würde das Thema in der Regel erst nach der Behandlung angegangen, die Patienten würden zudem oft für Rehamaßnahmen weit entfernt vom Wohnort untergebracht, auch sei ein Wechsel zwischen den Maßnahmen nur schwer möglich.

"Wir haben hier eine hohe Inflexibilität. Vor allem ist der erste Arbeitsmarkt für psychisch Kranke mit solchen Maßnahmen nur schwer erreichbar", erläuterte die Psychiaterin.

In anderen Ländern habe sich das Konzept "First place, then train" als erfolgreich erwiesen. Noch während der Akutbehandlung bekommen Betroffene einen "Arbeitsassistenten" an die Seite gestellt. "Dies kann ein Sozialtherapeut, Ergotherapeut oder Psychologe sein", sagte Stengler.

Training am Arbeitsplatz

Nach der Akutbehandlung wird direkt versucht, einen Arbeitsplatz zu vermitteln oder den noch bestehenden wieder einzunehmen, wobei der Patient am Arbeitsplatz so trainiert werden soll, dass er mit der Zeit wieder den Anforderungen des Arbeitgebers nachkommen kann. Der Arbeitsassistent fungiert dabei als Vermittler zum Arbeitgeber, so die Expertin. Die Reha erfolgt in diesem Modell also direkt am Arbeitsplatz.

Wie Stengler erläuterte, habe man mit diesem Konzept in Studien sehr gute Erfolge erzielt. So konnten selbst schwer Kranke mit Schizophrenie oder mit schweren affektiven Störungen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Ein weiteres Thema auf dem Kongress ist der steigende Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen. So habe sich nach den DEGS-Surveys zwar an der Prävalenz psychischer Erkrankungen zwischen 1998 und 2011 wenig verändert, die Inanspruchnahme therapeutischer Leistungen habe im selben Zeitraum jedoch um ein Viertel zugenommen, erläuterte Hauth.

Ein Grund dafür sei, dass psychisch Kranke heute seltener mit vermeintlichen Rückenbeschwerden zum Orthopäden, sondern tatsächlich zum Psychiater oder Psychotherapeuten gehen. Dies werde bei der Bedarfsplanung in der ambulanten Versorgung jedoch nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Folge seien nicht zuletzt lange Wartezeiten. Ein weiteres Hemmnis für eine bessere ambulante Versorgung sieht die DGPPN-Präsidentin in der noch immer unzureichenden Vergütung von Leistungen niedergelassener Psychiater und Psychotherapeuten.

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