Rezeptoren erleichtern Angriff auf Inselzellen

ZÜRICH (ars). Schon länger besteht die Vermutung, daß Viren oder andere Pathogene zum Entstehen einer Autoimmunerkrankung beitragen. Kürzlich hat eine Schweizer Arbeitsgruppe, der auch der Nobelpreisträger Professor Rolf Zinkernagel angehört, erste Hinweise auf den Wirkmechanismus gefunden: Die Erreger aktivieren offenbar bestimmte Rezeptoren des angeborenen Immunsystems.

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Eine Form des Diabetes mellitus entsteht, wenn die Beta-Inselzellen durch Immunreaktionen zerstört werden. Doch wie es dazu kommt, ist unklar, denn Antikörper und T-Zellen, die gegen Bestandteile und Zellen des eigenen Körpers gerichtet sind, bilden sich bei jedem Menschen, bleiben aber meist in friedlicher Koexistenz mit ihm.

Daß dieses Miteinander manchmal in ein Gegeneinander umschlägt, könnte an einer Virusinfektion liegen: Ursprünglich gegen Viren gerichtete T-Lymphozyten greifen plötzlich die Zellen der Langerhansschen Inseln an, weil deren Oberflächenstrukturen bestimmten Virusabschnitten sehr ähneln.

    Tiere ohne die Rezeptoren bleiben gesund.
   

Eine solche Kreuzreaktion durch dieses molekulare Mimikry kommt zum Beispiel nach Infektion mit Coxsackie- oder Zytomegalie-Viren vor, denn beide Erreger enthalten Proteine mit ähnlichen Sequenzen wie eine Struktur auf Pankreaszellen.

Doch diese Erklärung allein reicht nicht aus, denn es gibt Viren, die im Verdacht stehen, Diabetes auszulösen, aber keine kreuzreagierenden Regionen enthalten. Umgekehrt besitzen Zytomegalie-Viren zwar kreuzreagierende Bereiche, aber von jenen 50 Prozent der europäischen Bevölkerung, die damit infiziert wurden, erkrankt nur ein Bruchteil an Diabetes.

Nun hat eine Arbeitsgruppe um Professor Karl Lang an der Universität Zürich offenbar das fehlende Bindeglied entdeckt: Es sind die Toll-ähnlichen Rezeptoren (Toll-like Receptor, TLR), die Viren und andere Pathogene erkennen (Nat Med 11, 2005, 138).

Mäuse erkrankten in Versuchen entweder nach Infektion mit einem intakten Virus an Diabetes oder nach Zugabe eines viralen Glykoproteins zusammen mit Liganden, die die TLRs aktivieren. Tiere dagegen, denen die TLRs fehlten, bekamen die Autoimmunerkrankung nicht.

Die Pathogenese läuft über mehrere Schritte: Durch die Stimulierung der TLRs wird Interferon-alpha freigesetzt, das wiederum bewirkt, daß auf der Oberfläche von Beta-Inselzellen vermehrt MHC-Klasse-I-Moleküle erscheinen. Dieser Zustand der Entzündung hat zur Folge, daß CD8-tragende T-Zellen das Gewebe leicht angreifen und lysieren.



STICHWORT

Toll

"Toll" ist der Name eines Rezeptors der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, den ein Forscherteam um die Tübinger Medizin-Nobelpreisträgerin Professor Christiane Nüsslein-Vollhard geklont hat. Die Wissenschaftler fanden ihn so toll, daß sie ihn auch so nannten. Später wurden bei Säugetieren ähnliche Rezeptoren entdeckt, die als "Toll-ähnliche Rezeptoren" eine große Bedeutung bei der unspezifischen Immunantwort haben. Professor Karl Lang aus Zürich: "Die Forscher lagen mit der Bezeichnung also gar nicht so falsch." (ars)

Lesen Sie dazu auch: Schutz vor Allergien?

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