Verunsicherung zu Lantus® - "der Sündenfall des IQWiG"

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Einseitige Daten-Darstellungen in Medien haben Diabetiker verunsichert. Dies leichtfertig veranlasst zu haben, sieht Professor Mehnert als Sündenfall des IQWiG. Die IQWiG-Veröffentlichung ist eine statistisch nicht beweiskräftige Registerstudie, bei der zunächst unter Glargin weniger Krebsfälle festgestellt wurden.

Von Prof. Hellmut Mehnert

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) unter der Leitung von Professor Peter Sawicki hat eine Publikation zur Sicherheit des Insulin Glargin (Lantus®) vorgelegt. Danach sollen mit Glargin behandelte Patienten häufiger an Krebs erkrankt sein als mit anderen Insulinen behandelte. Dazu ist anzumerken: In zwei von vier dazu jetzt veröffentlichten Studien soll unter ausschließlicher Therapie mit Glargin ein erhöhtes Krebsrisiko bestehen. In einer schottischen und in einer britischen Arbeit gab es keine Hinweise darauf.

Die IQWiG-Veröffentlichung ist eine statistisch nicht beweiskräftige Registerstudie, bei der zunächst unter Glargin weniger Krebsfälle festgestellt wurden. Erst durch nachträgliche Anpassungen ließ sich ein geringer angeblich karzinogener Effekt feststellen. Wieso das nur bei allein mit Glargin Behandelten - aber nicht bei kombiniert mit Glargin Therapierten - beobachtet wurde, bleibt unerfindlich.

Daten aus einer, dem IQWiG bekannten, im Juni 2009 veröffentlichten Fünf-Jahres-Sicherheitsstudie zu Insulin glargin, belegen, dass bei dem Wirkstoff bösartige Zellveränderungen sogar seltener waren als bei Humaninsulin. Alle Fachgesellschaften betonen, dass Diabetiker jetzt auf keinen Fall ihre Insulingaben verändern, sondern das Gespräch mit ihrem Arzt suchen sollten. Sogar das IQWiG betont, dass kein Anlass zur überstürzten Therapieänderung besteht. Die Europäische Fachgesellschaft betont zudem, dass die Patienten mit alleiniger Glargintherapie älter waren und häufiger Übergewicht und einen höheren Blutdruck hatten. Das kann das leicht vermehrte Auftreten von Krebsfällen erklären.

Warum wurden die schon länger bekannten IQWiG-Ergebnisse erst jetzt veröffentlicht? Wenn wirklich ein begründeter Krebsverdacht bestanden hätte, wäre ein solches Vorgehen absolut unethisch. Warum haben sich mehrere Publikumsmedien - vor allem die viel gesehenen "Tagesthemen" - derartig einseitig und unangemessen sensationell gemäß den Grundsätzen des Presserates geäußert? Dabei hätten sie sogar Sawicki folgen können, der betont hat: "Unsere Auswertung ist zwar kein eindeutiger Beweis, dass Glargin Krebs fördert"! Immer wieder versucht man in den Publikumsmedien, einen Interessenkonflikt von Ärzten und Pharmaindustrie herauszustellen. Liegt nicht womöglich auch ein Interessenkonflikt vor, wenn das IQWiG seine Auswertung der Studie mit der AOK vorgenommen hat?

Fast eine halbe Million mit Glargin Behandelte in Deutschland sind durch die unglaublich kritiklose und einseitige Darstellung der IQWiG-Daten verunsichert worden. Es ist der eigentliche Sündenfall des Institutes, hierzu leichtfertig Veranlassung gegeben zu haben. Bezeichnenderweise hat das IQWiG schon bei einer früheren Bewertung die großen Vorteile von Glargin (wesentlich weniger Unterzuckerungen als unter Humaninsulin sowie die geringere Gewichtszunahme) des von Patienten bevorzugt angenommenen Insulin-Analogons nicht berücksichtigt. Und nun noch dieses!

Man kann nur an Patienten und Ärzte appellieren, sich nicht irritieren zu lassen und eine bewährte Therapie nicht aufzugeben, sondern weitere Untersuchungen (die alle Seiten fordern) abzuwarten. Für eine geringere Verordnung oder gar Absetzung von Glargin besteht nach allem kein Anlass.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Lesen Sie dazu auch: Kein erhöhtes Krebsrisiko für Glargin in einer Langzeitstudie

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