Chemische Veränderung

Wie Bakterien Albicidin ausschalten

Resistente Keime fangen den Wirkstoff Albicidin mit einem massenhaft gebildeten Protein ein und inaktivieren ihn.

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BRAUNSCHWEIG. Viele Bakterien haben natürlicherweise Mechanismen erworben, die sie vor schädlichen Substanzen schützen. So auch gegen den Wirkstoff Albicidin: Bakterien der Gattung Klebsiella besitzen ein Eiweißmolekül mit der Bezeichnung AlbA, das Albicidin bindet und so inaktiviert.

Diesen Resistenzmechanismus haben jetzt Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des zugehörigen Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) mit atomarer Auflösung untersucht, teilt das HZI mit.

Dabei fanden sie heraus, dass das Protein den Wirkstoff nicht nur bindet, sondern auch chemisch verändert (J. Am. Chem. Soc. 2018; 140(48): 16641–16649). Gleichzeitig kurbelt es seine eigene Produktion an, so dass Albicidin noch effizienter unschädlich gemacht wird.

Der Keim Klebsiella pneumoniae ist einer der häufigsten Erreger von bakterieller Sepsis und im Krankenhaus erworbenen Lungenentzündungen, kann aber zum Beispiel auch Harnwegsinfekte auslösen, erinnert das HZI. Klebsiellen gehören zu den schwer behandelbaren gramnegativen Bakterien und bilden häufig gegen mehrere Antibiotika Resistenzen aus.

Cystobactamide sind Albicidin ähnlich

Wissenschaftler des HZI haben gegen gramnegative Keime bereits eine neue, gut wirksame Wirkstoffklasse entdeckt: die Cystobactamide. „Diese Stoffklasse ist dem Albicidin ähnlich, gegen das viele Klebsiella-Stämme bereits eine Resistenz zeigen“, sagt Juniorprofessor Jesko Köhnke, der am HIPS die Nachwuchsgruppe „Strukturbiologie biosynthetischer Enzyme“ leitet. „Wir wollten wissen, ob das Protein AlbA auch gegen Cystobactamide wirksam ist, und haben dazu den Mechanismus der Albicidinresistenz auf molekularer Ebene analysiert.“

Hierzu fand sich ein interdisziplinäres Wissenschaftler-Team um Jesko Köhnke zusammen, in dem die Abteilung von Professor Mark Brönstrup die Synthese, die Arbeitsgruppe um Professor Olga Kalinina die Bioinformatik und die Abteilung von Professor Rolf Müller Aktivitätstests und Genexpressionsprofile durchgeführt haben. Zunächst wurde die dreidimensionale Struktur des Proteins AlbA mit dem gebundenen Albicidin mittels Röntgenstrukturanalyse entschlüsselt.

Dabei fiel den Wissenschaftlern auf, dass aus einer kleinen Bindetasche für das Antibiotikum im Laufe der Evolution ein langer Tunnel geworden ist, in dem das Albicidin passgenau Platz findet. Die Strukturanalyse lieferte zudem noch ein weiteres erstaunliches Ergebnis: Das gebundene Albicidin war chemisch verändert. „Ursprünglich gingen wir davon aus, dass AlbA das Albicidin einfach nur aufnimmt – wie ein Schwamm das Wasser – und es so vorübergehend beseitigt. Doch nun haben wir herausgefunden, dass es das Albicidin sogar verändert“, sagt Köhnke.

Verändertes Albicidin hat schwächere Aktivität

Weitere Experimente haben gezeigt, dass das veränderte Albicidin eine schwächere Aktivität aufweist, also weniger schädlich für die Bakterien ist. Die Wissenschaftler entdeckten, dass AlbA neben der Bindestelle für das Antibiotikum auch eine für DNA besitzt. Mit diesem Abschnitt kann es an das Erbmaterial der Bakterienzelle binden – und zwar genau dort, wo die Produktion von AlbA gesteuert wird.

In Laborexperimenten mit Klebsiella pneumoniae konnte das Team um Köhnke nachweisen, dass bei der Gabe von Albicidin das Gen mit dem Bauplan für AlbA nach vier Stunden 3000-mal häufiger abgelesen wurde als ohne Antibiotikum. „Der Mechanismus der Klebsiellen gegen Albicidin ist äußerst effektiv: Kommen sie damit in Berührung, fangen sie erste Wirkstoffmoleküle mit ihrem Protein AlbA ein. Gleichzeitig produzieren sie immer mehr AlbA. Wir konnten aber auch zeigen, dass diese Mechanismen für eine Resistenz noch nicht ausreichen, was wir jetzt genauer untersuchen wollen“, sagt Köhnke.

Vergleichende Experimente haben ergeben, dass der mit dem Albicidin verwandte Wirkstoff Cystobactamid deutlich schwächer von AlbA gebunden wird. Außerdem kurbelt er auch nicht die Produktion von AlbA an, so dass Klebsiellen mit diesem Mechanismus bislang keine Resistenz gegen Cystobactamid erreichen können. „Trotzdem sind die Bakterien gegen Cystobactamid resistent. Daher möchten wir die Mechanismen so genau wie möglich aufklären, um dann Wirkstoffe entwickeln zu können, die die Resistenzen umgehen“, so Köhnke. (eb)

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