Zukunft der Onkologie ist ambulant und oral
Steht die medizinische Onkologie vor einem Umbruch, der ähnlich gravierend ist wie die Einführung der Antibiotikatherapie in der Infektiologie? Nein, sagt Professor Michael Hallek aus Köln. Sie steckt bereits mitten drin.
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Auch Patientinnen mit Brustkrebs profitieren von der Personalisierung in der Onkologie, und zwar durch die Therapie mit Trastuzumab.
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WIESBADEN. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren die Therapie mit Trastuzumab beim HER2-positiven Brustkrebs und die Therapie mit Imatinib bei der Philadelphia-Chromosom-positiven CML die beiden einzigen Beispiele für die vielbeschworene Personalisierung der Onkologie. In den vergangenen Jahren hat sich das geändert.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Therapien, die bestimmten molekular definierten Subgruppen von Patienten Fortschritte bringen.
So profitieren Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC), bei denen EGF-Rezeptor-Mutationen vorliegen, von einer Therapie mit Erlotinib. Beim Kolonkarzinom ohne KRAS-Mutation nutzen EGF-Rezeptorantikörper wie Cetuximab.
Personalisierte onkologische Therapiekonzepte
Für eine kleine Untergruppe von NSCLC-Patienten dürften demnächst ALK-Inhibitoren zugelassen werden. Und bei der akuten myeloischen Leukämie gibt es eine Subgruppe von Patienten, die auf all-trans-Retinsäure anspricht.
Professor Michael Hallek vom Centrum für Integrierte Onkologie der Universität Köln zeigte sich in seinem Plenarvortrag überzeugt, dass es nicht bei diesem noch immer begrenzten Fundus personalisierter onkologischer Therapiekonzepte bleiben wird. Patienten mit Plattenepithelkarzinom der Lunge sind für ihn Kandidaten für eine der nächsten Personalisierungsrunden.
Bei dieser Krebsform sei der FGR1-Rezeptor bei etwa jedem zehnten Patienten überaktiv. Im menschlichen Zellmodell führt die Hemmung dieses Rezeptors bei den entsprechenden Patienten zu einer ausgeprägten Apoptose. Klinische Studien laufen. "Auch bei der chronischen lymphatischen Leukämie gibt es Personalisierungsansätze", betonte Hallek.
Signalwege wiederholen sich bei unterschiedlichen Tumoren
Mittelfristig bewege sich die Onkologie weg von einer Disziplin, die sich primär an histologischen Befunden orientiert und hin zu einem Fachgebiet, das individuelle genetische Charakteristika zur Grundlage von Therapieentscheidungen macht. Komplett ausufern werde das Spektrum der onkologischen Therapien dadurch aber nicht, versicherte der Experte. Denn die Signalwege, die bei Krebspatienten Mutationen aufweisen, wiederholen sich bei unterschiedlichen Tumoren.
"Beim Pankreaskarzinom wurde das im Detail analysiert. Dort gibt es zwölf zentrale Signalwege, die bei 67 bis 100 Prozent aller Tumore verändert sind", so Hallek. Viele dieser Signalwege tauchen bei anderen Tumoren auch auf.
Wenn sich onkologischen Therapien künftig wirklich vor allem nach der Genetik von meist Tyrosinkinase-assoziierten Signalwegen richten, dann dürfte das erhebliche Auswirkungen auf die onkologische Versorgung haben, wie Hallek betonte. Weil gezielte Therapien viel häufiger als klassische Chemotherapien oral gegeben werden können und besser verträglich sind, werde die Zukunft der Onkologie ambulant sein.
Und auch die bisher an Organen orientierte Subspezialisierung der Onkologie wäre dann nicht mehr zeitgemäß.