Lob von Koalition, Zweifel von Opposition

Brandenburg: Kritik am Abschlussbericht des Corona-Untersuchungsausschusses

Nach drei Jahren hat der Corona-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages seine Arbeit beendet. Die Bewertung der Ergebnisse fällt naturgemäß unterschiedlich aus. Kritik kommt von der Opposition.

Benjamin LassiweVon Benjamin Lassiwe Veröffentlicht:
Sieht keinen Anlass zur Kritik: der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Daniel Keller (SPD).

Sieht keinen Anlass zur Kritik: der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Daniel Keller (SPD).

© Bernd Settnik/dpa

Potsdam. Es waren 21 Sitzungen von insgesamt 81 Stunden Dauer. Es gab 4.088 Seiten Protokoll und 119 Beweisanträge. Und den Steuerzahler kostete alles zusammen rund 2,5 Millionen Euro. Das sind die Eckdaten des Corona-Untersuchungsdausschusses 7/1 des Brandenburger Landtags. Das Gremium hatte auf Antrag der AfD im September 2020 seine Arbeit aufgenommen, um die Maßnahmen der Landesregierung während der Pandemie zu untersuchen.

Am Donnerstag legte es dem Landtag seinen Abschlussbericht vor. Anlass für die Regierungskoalition von SPD, CDU und Grünen, fest hinter den eigenen Mannen zu stehen. Die Opposition übte Kritik, obwohl der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Daniel Keller (SPD), behauptete: „Anlass zu massiver Kritik geben die Untersuchungen nicht.“

Spahn und Merkel mussten nicht aussagen

„Die Landesregierung hat im Wesentlichen in angemessener Wiese auf die noch unbekannten Herausforderungen einer weltweiten Pandemie reagiert“, so Keller. Gleichzeitig habe sich der Untersuchungsausschuss nur als „bedingt taugliches Instrument“ erwiesen: „Es ist nicht Aufgabe eines Untersuchungsausschusses in Brandenburg, wissenschaftliche Bewertungen und Studien einer politischen Bewertung zuzuführen“, sagte Keller.

Als Beleg führte er das Landesverfassungsgericht an: Es hatte geurteilt, dass Prominente wie der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn oder die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht vor dem Ausschuss aussagen mussten. Deutlicher wurde noch der SPD-Obmann im Ausschuss, der Abgeordnete Björn Lüttmann: Der Ausschuss sei 2020 nur entstanden, weil die AfD ein Thema gebraucht habe.

Staatsanwaltschaft folgt AfD-Ansicht nicht

Ganz anders äußerten sich die Redner der Opposition, allen voran jene der AfD: „Die Landesregierung verfügte über keine belastbare Datengrundlage für ihre Maßnahmen“, sagte der Abgeordnete Lars Hünich (AfD). „Sie bemühte sich auch nicht darum.“ Sie habe keine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, „anscheinend war das nicht gewollt.“ Die Landesregierung habe ausschließlich auf Bundesbehörden und ihre Studienergebnisse gesetzt.

Scharfe Kritik übte Hünich an Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD): Seine Aussage, dass die „Bilder von Bergamo“ für den ersten Lockdown entscheidend gewesen seien, sei schon der zeitlichen Abfolge nach falsch gewesen. „Entscheidend war der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz 2020“, sagte Hünich.

Woidkes Zeugenaussage im Ausschuss sei deswegen weder vollständig noch wahrheitsgemäß gewesen. Die AfD habe ihn bereits im Frühjahr wegen „unendlicher Falschaussage“ angezeigt. Die Staatsanwaltschaft habe aber keine Ermittlungen aufgenommen, sagte Hünich auf Nachfrage der Ärzte Zeitung. Eine Beschwerde dagegen laufe noch.

Parlament zu wenig informiert

Detaillierter widmete sich die Rednerin der Freien Wähler, die Uckermärker Abgeordnete Christine Wernicke, den Ergebnissen des Ausschusses. „Es war richtig, dass Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, und vor den Gefahren der Pandemie gewarnt wurde“, sagte Wernicke. Doch der Abschlussbericht des Ausschusses stelle der Landesregierung einen „Persilschein“ aus.

„Wir kritisieren, dass das Parlament oft nicht unterrichtet wurde“, sagte Wernicke. „Wir kritisieren, dass vor dem Lockdown Mitte März 2020 keine Abwägung des Einsatzes moderater Mittel vorgenommen wurde.“ Einige Maßnahmen der Landesregierung seien unverhältnismäßig gewesen, etwa das Verbot jedweder Betätigung im öffentlichen Raum. Im Untersuchungsausschuss sei auch deutlich geworden, dass es im gesamten Untersuchungszeitraum zu übermäßigen und unverhältnismäßigen Belastungen von Kindern und Jugendlichen gekommen sei.

Nonnenmacher: Untätigkeit wäre auch falsch gewesen

Weniger Kritikpunkte meldete der Abgeordnete der Linken, Ronny Kretschmer, an. Doch auch er kritisierte die Missachtung der Rechte des Parlaments, weil die Landesregierung 27 Verordnungen ohne Parlamentsbeteiligung erlassen habe.

Hingegen verteidigte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) das Vorgehen der Regierung. „Zum Schutz der Bevölkerung war es nötig, auf ein Zusammenleben, wie wir es vor Corona kannten, zeitweise zu verzichten“, sagte die Medizinerin. Die Landesregierung hätte sich in mehrfacher Hinsicht Pflichtverletzungen schuldig gemacht, wenn sie untätig geblieben wäre. „Im Nachhinein lässt sich sicher sagen, dass eine direkte Beteiligung des Parlaments schon früher wünschenswert gewesen wäre“, sagte Nonnemacher.

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